Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 15.–18. Oktober 1931

15. Oktober

Sonderbarer Traum von A. Von einer Wiese auf der ich mit ihm und meinen Bu¬
ben (die 4 und 6 [J]ahre alt waren) sass und wo es von Marien-Käfern wimmel¬
te. Ich sagte: [»]Schau wie schön, das bringt Glück!« Die Gegend war der Sem¬
mering meiner Jugend.–

Heute N. M. Fr von Schaible bei mir, die mir von der bevorstehenden Schei¬
dung ihrer Tochter erzählte. Besonders liebe gute Frau. – Einsamer Abend
zeitlich zu Bett, um nicht an A ’s Zusammensein mit Fr. Cl. zu denken.

16 ten. Mit A. V. M. spazieren gegangen. Nur kurze Zeit. N. M. am Roman gearbeit¬
tet. Abend mit A. im Kino. »Der Blitzer« sehr fader Film. Dann »Weingartel«
genachtmahlt. A. sprach schon Vor-Mittag viel über den gestrigen Opern-¬
Abend aber ich reagierte nicht. Zwischen den zahllosen Briefen auf den Sem¬
m[e]ring und diesen angeblich so seltenen Zusammenkünften, liegt zu viel
Unaufrichtiges und Ungeklärtes. (Nach seinen Mitteilungen hätte er sie in
diesen 4 Wochen 2mal gesehen – Ich weiss es ist nicht wahr, aber ich schwei¬
ge.[)] – Die Oper soll sehr schön gewesen sein der Bub sehr begeistert, und
er hat mit dem Gatten über die finanzielle Lage gesprochen. Nachher hat er
allein im »Meissl« genachtmahlt.

17ten V. M. bei schönen Wetter kurzer Spaziergang mit A. dann ich in die Stadt
und A. nach Hause. Ich Mittag bei meiner Schwester, wo es ganz gemütlich war.
Maria die ganze Zeit anwesend (sie ist netter geworden) und daher Fra¬
gen und Antworten gottlob nicht möglich. Abend A. wieder bei mir Radio hö¬
ren. Er schlief viel und war im ganzen weniger wol und weniger freundlich,
ich desto netter zu ihm. Ich sass still und liess seinen Kopf an meiner Schul¬
ter ruhen. Ich bin Traurig.

18ten Oktober – Wunderschöner Herbst – Sonntag aber A. will einen Besuch bei
einer alten Dame (Fr. Singer die ihn einmal unglücklich liebte) in einem
Nerven-Sanatorium (neue Klinik) machen. Ich gieng allein spazieren, traf
ihn zufällig am Weg zur Ellektrischen in der Türkensch. Str. und begleitete
ihn bis zur Haltestelle. Ich bummelte allein weiter und trug später rote
Rosen zu ihm. (Ehe er zu Hause war).

Abend gehen wir ins Akad. Theater,