Im Schatten Schnitzlers – Leben und Werk von Clara Katharina Pollaczek (1875–1951)

Stephan Kurz

In einer früheren Version erschienen in: »A. ist manchmal wie ein kleines Kind.« Clara Katharina Pollaczek und Arthur Schnitzler gehen ins Kino (Wien: Böhlau 2012, hg. von Michael Rohrwasser und Stephan Kurz unter Mitarbeit von Daniel Schopper; Band 2 der Reihe Manu Scripta), S. 10–33. Diese überarbeitete Fassung geht deutlich über den Inhalt der Druckfassung hinaus und ist daher als Zusatzmaterial zum Buch zu verstehen.

Clara Katharina Pollaczek war eine Wiener Schriftstellerin (zu ihrer literarischen Tätigkeit vgl. die kommentierte Bibliographie). Wer sich bislang mit ihr beschäftigte, beschränkte sich weitgehend auf ihr Verhältnis zu einem anderen Wiener Schriftsteller: Arthur Schnitzler. Dazu hat beigetragen, dass Pollaczek nach Schnitzlers Tod im Jahre 1931 mit Hilfe von dessen Sekretärin Frieda Pollak ein Konvolut von Tagebuchfragmenten sowie von Teilen ihrer Korrespondenz mit dem Verstorbenen ins Reine geschrieben hat, das den bezeichnenden Titel trägt: Arthur Schnitzler und ich.1 Diese Fokussierung auf Schnitzler ist also teilweise auch Pollaczeks Programm – sie ist ganz die demütige Begleiterin des großen Mannes, dessen Bild sie zeichnen möchte:

Wer mich kennt, weiss, was mir Wahrheit bedeutet und dass ich mit diesem Vermächtnis der Nachwelt nicht nur die Entwicklungsgeschichte einer Liebe mit allen ihren Beglückungen und Schmerzen hinterlassen will, sondern das lebenswirkliche Bildnis eines grossen Mannes im Schatten des Todes (CKP I, 1).

Zwar wurde Pollaczeks dreibändiges Typoskript von der Forschung bereits mehrfach »entdeckt«, dennoch verschwindet dessen Autorin in allen Darstellungen, die sie erwähnen, nahezu vollständig. So stellt sich die Frage: Wer war diese Frau?

Alle bisherigen Versuche, sich der Person Clara Katharina Pollaczek anzunähern, konzentrieren sich stets auf den engen Zeitraum von 1923 bis 1931, also auf jene Lebensphase, in der Pollaczek und Schnitzler liiert waren – und gemeinsam über 500 Mal ins Kino gingen. Wo sie herkam und wohin ihre Wege sie führten, interessierte die Wissenschaft bis dato nicht. Dementsprechend dürftig ist die Forschungslage, weil es bislang kaum der Mühe wert befunden wurde, die biographischen Quellen zu erschließen: Im Wiener Stadt- und Landesarchiv ist der Verlassenschaftsakt erhalten. Die von Pollaczek selbst an die damalige Wiener Stadtbibliothek übergebenen Nachlassteile umfassen neben dem besagten Typoskript zahlreiche Originalbriefe und Korrespondenzkarten von und an Schnitzler sowie kleinformatige Notizbücher, die die Grundlage des Typoskripts bildeten.

Eine Pollaczek-Bibliographie fehlt bisher ebenso wie zumindest grobe Umrisse zu ihrem Leben vor 1923 und nach 1931, denn lediglich die dazwischenliegenden Jahre sind in Arthur Schnitzler und ich umfassend dokumentiert. Diese Dokumentation reicht sehr weit ins Persönliche hinein, ja das Konvolut Pollaczeks erfüllt im Wesentlichen die Kriterien, die Friedrich Torberg an Memoirenliteratur generell angelegt hat:

Es scheint mir (kurz und ein wenig plump gesagt) eitel und anmaßend, sein eigenes Leben für wichtig genug zu halten, um es im Druck zu schildern, und ich kann mich vice versa, nämlich wenn ich die Memoiren anderer Autoren lese, eines Gefühls der Indiskretion, und zwar einer von mir begangenen, nicht erwehren.2

Die früheste Veröffentlichung, die sich mit Clara Katharina Pollaczek auseinandersetzt, gibt in der Forschungsgeschichte gewissermaßen den Ton für das Folgende vor: William H. Reys Aufsatz befasst sich mit der »Auffindung« des Typoskripts in der Wiener Stadtbibliothek und beschränkt sich mehr oder minder darauf, den ungefähren Inhalt der über 900 maschingeschriebenen Blätter grob zusammenzufassen. Die von Pollaczek selbst implizit gelegte Spur, sie sei gegenüber dem großen Schnitzler nicht würdig, wird aufgegriffen und durch zeitgemäße Lektüre vertieft – Rey nennt sie vertraulich »Clara«3 und erwähnt außerhalb ihres Schnitzler-Vermächtnisses nur den »Jugenderfolg« Mimi.4 Diesen vermutlich nur deshalb, weil »niemand geringerer als Hugo von Hofmannsthal« dazu 1897 einen Prolog für die Publikation in der Neuen Deutschen Rundschau (Freie Bühne) beisteuerte. Dass das »liebe kleine Mädel mit großen Augen«, dem Schnitzler erstmals 1896 begegnete war (Tb 5.3.1896),5 auch mit Hofmannsthal, dem jüngeren Jung-Wiener, zumindest eine kleine Affäre hatte,6 ist Rey nicht der Rede wert. Die Entdeckung aber war vorerst einmal gemacht.

Es sollten einige Wiederentdeckungen des Typoskripts folgen: Renate Wagner machte es zum Ausgangspunkt von zwei (in der Materialbasis nicht voneinander differierenden) Kapiteln in ihren Büchern zu Schnitzler.7 In beiden wird die Geschichte der späten (und nicht gerade ausbalancierten) Liebe anhand des Typoskripts und der darin enthaltenen Briefe neu aufgerollt. Beim italienischen Schnitzler-Forscher Giuseppe Farese wird die Geschichte der Pollaczek zu einer Krankengeschichte Schnitzlers umgedeutet. Schnitzlers Neffe Ferdinand Donath, der Arzt war, und Clara Katharina Pollaczek unterhielten eine Korrespondenz, die den ab 1930 sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand Schnitzlers widerspiegelt. Aus den im Typoskript überlieferten Eifersuchtsbriefen Pollaczeks konstruiert Farese eine Gefährtin, die den Autor in den Tod treibt und sich mit dem Neffen darüber unterhält. Ulrich Weinzierl, dessen Recherchen zu Pollaczek wir auch die Entstehung dreier Zeitungsartikel verdanken,8 präsentierte 1994 in seiner Schnitzler-Biographie eine etwas differenziertere Lesart desselben Materials, allerdings bleibt auch er bezüglich Pollaczek vorrangig bei dem Bild der krankhaft eifersüchtigen Gefährtin.9 Jüngst widmete sich eine weitere Publikation einem »Reassessment« des Typoskripts: Julian Preece liest darin den Briefwechsel zwischen Pollaczek und Schnitzler als eine der »Leithandschriften« für die Arbeitsweise Schnitzlers in seinem letzten Lebensjahrzehnt.10 Preece kombiniert dies mit Auskünften aus den Memoiren des Pollaczek-Sohnes Karl, die eine wichtige Quelle für das Leben seiner Mutter sind.11

Wer also war diese Frau?

Clara Loeb12 wurde am 15. Jänner 1875 in Wien geboren und stammte aus einer wohlhabenden großbürgerlichen jüdischen Familie. Ihr Vater war Louis/Lazar Löb (geb. 1842, gest. 6. Juni 1921),13 ihre Mutter hieß Regina Tausig (oder Taussig, geb. 9. Juli 1850,14 gest. 5. Februar 1918).15 Als Hochzeitstag der Eltern nennt das Pollaczek-Typoskript den 2. März.16 In der Friedhofs-Datenbank der Israelitischen Kultusgemeinde Wien sind Pollaczeks Eltern als »Privatier« und »Private« vermerkt, was jedoch lediglich den Zeitraum kurz vor deren Tod betrifft. Von Beruf war Louis Löb Bankier. Zur Familie gehörten eine Schwester namens Anna, später verehelichte Epstein, die ebenfalls literarisch tätig war,17 sowie die Brüder Alfred, der als Maler Mitglied des »Hagenbundes« war,18 und Otto, der Anwalt wurde.19 Ein weiterer Bruder, Rudolf, war im Alter von vier Jahren an Scharlach gestorben.20

Ihre Jugend verbrachte Clara Loeb in Wien.21 Als Tochter aus gutem Hause erhielt sie Privatunterricht. Mit ihrer Familie verbrachte sie die Ferien oft in Bad Ischl.22 Und sie begann zu schreiben: Das erste erhaltene literarische Zeugnis aus ihrer Feder ist die Szenenfolge Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben, das Loeb unter dem Pseudonym »Bob« im April 1897 in der Neuen Deutschen Rundschau veröffentlichte. Die Szenen führen (in Anlehnung an Schnitzlers Anatol von 1893) die Protagonistin Mimi durch eine Abfolge teils erotischer Begegnungen. Als ein anonymer Brief – vermutlich von Minnie Benedikt, der jüngeren Tochter Moriz Benedikts – den Eltern Loeb entdeckte, dass sich hinter dem Männernamen »Bob« ihre 22-jährige Tochter verbarg, entspann sich die gut dokumentierte Mimi-Kontroverse. Schnitzler griff aus Paris insofern kalmierend ein, als er auf Hugo von Hofmannsthals Aufforderung den Verlag von Samuel Fischer anwies, den Text nicht mehr zu drucken. Zwischen dem 24. April und dem 6. Mai 1897 wird die weitere Veröffentlichung von Loebs »Jugenderfolg« Mimi aufgrund dieser Intervention gestoppt.23 Dabei hatte Schnitzler noch am 21. März 1897 ins Tagebuch notiert: »Correcturen an Clara L.s Buch ›Mimi‹«.

Dem vorausgegangen war die Bekanntschaft Clara Loebs mit den Herren Schnitzler und Hofmannsthal, die in den Beilagen des ersten Bandes von Pollaczeks Konvolut dokumentiert ist. Renate Wagner schreibt: »Die Loebs gehörten zu jener Gesellschaftsschicht, die in denselben Häusern verkehrten wie Schnitzler und Hofmannsthal.«24 Diese Bekanntschaften gehen auf das Jahr 1896 zurück.25 Schnitzler notiert am Neujahrstag in sein Tagebuch: »Das kleine Mädel entzückt mich. Sie verspricht mir selbstverfasste Sachen zu schicken und ist sehr zutraulich.«26

Ob es diese ›Zutraulichkeit‹ war? Jedenfalls unterstützten Hofmannsthal und Schnitzler die Veröffentlichung von Mimi (es war nur der veröffentlichte Erstling, nicht das erste Stück, das Loeb geschrieben hatte).27 Hofmannsthal steuerte für die Publikation einen Prolog bei, den er Schnitzler am 15. Dezember 1896 vorlas.28 Aus dieser Zeit gibt es auch einen Hinweis auf eine Liebschaft zwischen Loeb und Hofmannsthal.29 Sie beklagt sich »über Hugos Fernbleiben«. »Es war aber – nicht rein freundschaftlich«, sagt Loeb nach Auskunft Schnitzlers (Tb 21.10.1897). Dieser schreibt an Hofmannsthal: »Clara fühlt sich sehr verlassen von Ihnen. Sie hat es anders ausgedrückt, aber das ist der Sinn. –«30

Neben mehreren anderen Möglichkeiten, die die junge Clara Loeb in Betracht zieht (und darüber Schnitzler auch Bericht gibt),31 kommt als zukünftiger Ehemann auch Schnitzler selbst ins Spiel: »Es wird immer deutlicher, dass sie am liebsten mich heiraten möchte. –«32

Daraus wurde allerdings nichts. Clara Loeb heiratete am 10. Mai 1898 in der Synagoge Seitenstettengasse, dem »Wiener Stadttempel« im ersten Bezirk, den Erben der größten Rohlederhandlung der Monarchie: Otto Pollaczek.33 Vorgestellt worden waren die künftigen Eheleute einander am 7. Oktober 1897 im Wiener Prater. Der Schwiegervater in spe, Wilhelm Pollaczek, hielt am 17. Februar 1898 bei den Eltern Loeb für seinen Sohn um deren Tochter an.34 Wagner vermutet hinter der Eheschließung den Versuch der bürgerlichen Eltern Loeb, die skandalträchtige Laufbahn ihrer Tochter als Schriftstellerin (die mit Mimi angeklungen war) zu unterbinden und zugleich für eine standesgemäße Hochzeit zu sorgen.35 Diesen Versuch kann man mit einer Portion Zynismus als geglückt ansehen. Schnitzler und Hofmannsthal, die zunächst noch bei der Publikation der Mimi-Einakterfolge helfend zur Hand waren, traten nach der Intervention der Eltern entschlossen für die Nichtpublikation der Buchfassung ein und machten dadurch die Verfasserin unsichtbar. Pollaczek kommentierte ihre Eheschließung in ihrem Vermächtnis so:

Da ich aber durchaus heiraten wollte gewöhnte ich mich langsam an O. P. der schliesslich jung war und einen unleugbaren Charm hatte, trotz seiner grossen Ungezogenheiten. Meine Schwester und ich machten noch ein paar Radfahrpartien mit Arthur Schnitzler und Felix Salten, aber im ganzen liess ich aus einem inneren Reinlichkeitsgefühl selbst diese so harmlose Freundschaft langsam einschlafen, sah A. S. nur hie und da einmal im Hause meiner Eltern oder in andern Gesellschaften und zum letzten Mal auf lange hinaus bei meiner Trauung am 10. Mai 98 wo er neben Georg Hirschfeld im Tempel stand und mir die Hand drückte.36

Vermutlich infolge der Eheschließung mit dem »k.k. Kommerzialrat«37 wurde Pollaczek nach 1919 zur tschechoslowakischen Staatsbürgerin:38 Nach dem Heimatrecht in der k. u. k. Monarchie wurde für verheiratete Frauen die Heimatgemeinde des Mannes zuständig, auch wenn die Frauen nie dort gelebt hatten.39 Pollaczeks Ehemann Otto wurde in Prag geboren, die Familie zog nach Wien, als er zwei Jahre alt war.40 Dies ist insofern relevant, als ihre Staatsangehörigkeit Pollaczek die Ausreise aus dem von den Nazis besetzten Österreich im Jahr 1938 wesentlich erleichterte.41

Aus der Ehe zwischen der Dichterin und dem »Kaufmann«42 Otto Pollaczek gingen die Söhne Hermann Erich (geb. 23.3.1899)43 und Karl Friedrich (geb. 22.12.1902) hervor.44 Die Familie wohnte im eigenen Haus, Blumauergasse 25, im 2. Wiener Gemeindebezirk.45 Aber die Verbindung war – so berichtet der Sohn Karl in seinen Memoiren, die er unter seinem späteren Namen Karl F[riedrich] M[ichael] Pole veröffentlichte – keine besonders glückliche, vor allem ab dem Zeitpunkt, als es mit Otto Pollaczeks Firma bergab ging (so war eine für den Betrieb wichtige, in Bosnien gelegene Fabrik während politischer Unruhen zerstört worden). Aus einer Meldung für das Jahr 1907 geht hervor, dass Clara Pollaczek möglicherweise gegen Ende ihrer Ehe nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit Otto wohnte: »verh. mit Clara (wohnt in Amstetten)«.46 Der Tief- und Endpunkt der Ehe liegt in dessen Suizid am 17. April 1908.47

Für die Zeit zwischen 1908 und 1923 ist die Datenlage dürftig, die wenigen bekannten Fakten seien kurz aneinandergereiht: Nach dem Selbstmord ihres Mannes halfen bei der Erziehung der Kinder Hermann Erich und Karl Friedrich auch die Schwester Otto Pollaczeks, Hedwig Spiegler, und deren Ehemann.48 Bis zum Sommer 1916 sind einige Aufenthalte Clara Pollaczeks in München wegen einer (oder mehrerer) Liebschaft(en) überliefert.49 Karl Pole berichtet auch von einigen Sommeraufenthalten, die die Familie vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges am Semmering, in Strobl am Wolfgangssee und anderen Orten verbracht hat.50 Aus den historischen Meldeakten, die im Wiener Stadt- und Landesarchiv Auskunft geben, lassen sich nicht nur die Adressen für diesen Zeitraum zumindest teilweise erschließen,51 sondern es geht daraus auch hervor, dass Clara Pollaczek 1918 erfolgreich um die Änderung ihres Vornamens in Clara Katharina ansuchte.52 Die erhaltenen Meldeadressen zwischen 1911 und 1928 sind folgende:

  • 2.9.1911–10.2.1915: 6., Capistrangasse 4/2/15 (mitgemeldet: Kinder Hery, 15 Jahre alt und Carl, 8 Jahre alt. Die Altersangaben beziehen sich auf das jeweilige Anmeldedatum, also in diesem Fall auf September 1911) vorher: 8., Lammgasse 1 (die früheren Meldungen sind nicht erhalten geblieben)

  • 1.3.1915–29.9.1915: 9., Peregringasse 4/2. Stock/- (mitgemeldet: Kinder Hermann, 15 Jahre alt und Carl, 12 Jahre alt)

  • 6.9.1915–23.3.1918: 4., Wohllebengasse 15/3/10 (mitgemeldet: Kinder Hermann, 16 Jahre alt und Carl, 12 Jahre alt)

  • 28.3.1918–7.11.1928: 9., Peregringasse 4/2/8 (mitgemeldetes Kind: Kar[l], 15 Jahre alt)

Pollaczek ist also nach dem Tod ihrer Mutter im Februar 1918 wieder in die Familienwohnung der Loebs (Peregringasse) eingezogen. Auch ihr jüngerer Bruder Alfred lebte nach seiner Entlassung aus der französischen Internierung dort in zwei Zimmern. Aus den Memoiren Karl Poles geht in Bezug auf die Jahre des Ersten Weltkriegs wenig hervor, außer dass sich der ältere Sohn Hermann zwar 1916 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, allerdings nie an die Front versetzt worden war.53 Möglicherweise geriet er trotzdem in Kriegsgefangenschaft, denn Schnitzler hält im Tagebuch vom 20. Mai 1919 fest: »Begegnung mit Clara Pollaczek. Ihr Sohn in Gefangenschaft«.

In Schnitzlers Tagebuch sind ab 1915 mehrere Begegnungen, ein Briefwechsel und ein Telefonat mit Clara Pollaczek dokumentiert, die einige weitere Anhaltspunkte enthalten:

8/6 [1915] Nach fast 10 Jahren Clara Loeb P. gesprochen;– vor 7 hat sich ihr Mann umgebracht; ich hielt sie zerstreuter Weise für geschieden. 12/5 [1916] Zum Thee Frau Clara Pollaczek (früher Loeb), wir zeigten ihr das Haus, gingen dann im Türkenschanzpark spazieren. Sie malt seit 4 Jahren, jetzt, zum 20. mal eine Eva, hat aber keine Anatomie gelernt. Erinnert mich an von mir völlig vergessenes literar. aus ihrer Jugend – Scenen von »Bob« in der N. R. veröffentlicht,– Vertrag mit Fischer, den ich, Rendezvous bei der Votivkirche mit ihr besprach – anonymer Brief – (wahrscheinlich von Minnie Benedict – so begann das Gespräch) – Einstampfen des Buches auf Wunsch ihrer Eltern.– Vor ein paar Wochen hat sich der Mann ihrer Schwester (Anna, die Salten einmal heiraten wollte) umgebracht, wie vor 5 Jahren der ihre.– Noch sehr hübsch für ihre bald 40; und mit mancherlei Ambitionen. Verträgt sich schlecht mit ihrem 17j., gut mit ihrem 13j. Sohn. – O. sagte manches boshaft kluge, nicht durchaus gerechtes über sie. 13/6 [1916] Las dieser Tage die »Mimi« von Clara Pollaczek (1897) – und ein neueres mitgeschicktes Versstück, das pure Dilletanterei ist. 25/6 [1916] ihr [Lili Bergers] Bruder ist seit 3 Wochen vermißt, was sie mir u. a. erzählt wie gestern teleph. Clara Pollaczek das gleiche von ihrem Bruder. Auch das was ganz in der Nähe passirt spürt man nicht mehr so. Der Abbau des Mitleids! 3/8 [1916] Ich zu Frau Clara Pollaczek, Grillgasse, ein paar Damen zu Besuch, ich gehe bald.– […] zurück nach Aussee mit O. und Heini. 15/8 [1916] Nm. kam Frau Clara Pollaczek, Spaziergang mit ihr; sie erzählt mir von ihrem Leben, ihrer Ehe (Gatte vor 8 Jahren durch Selbstmord geendet). Ich langweilte mich erheblich, sie nicht viel weniger. Beim Seewirth ihr Bruder, Artillerieoberlieutenant, mit einigen Auszeichnungen auf Urlaub – war früher sehr interessiert, hab aber jetzt auch genug.–54

Über die literarische Tätigkeit von Clara Pollaczek nach 1902 ist – abgesehen von der bei Schnitzler erwähnten vermutlich verschollenen »puren Dilletanterei« – nichts überliefert. Für die Tageszeitungen, in denen sie später schreiben wird, sind teilweise komplette Register zugänglich, die ihren Namen nicht erwähnen. Konstanze Fliedl führt das darauf zurück, dass Pollaczek zu dieser Zeit nicht geschrieben habe: »In den zwanziger Jahren nahm Clara Pollaczek aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage das Schreiben wieder auf; mit Übersetzungen und Fortsetzungsromanen befand sie sich in dem Grenzbereich literarischer Tätigkeit, in dem die Appendix-Kultur gedieh«.55

Im Jahr 1923 setzen die Beziehungen zwischen Pollaczek und Schnitzler wieder ein (»she, after many years, met Schnitzler again, and a great friendship developed which made her in time his steady companion«).56 Der Kontakt war – mit den zitierten Passagen aus Schnitzlers Tagebuch gegen die oft behauptete ›Funkstille‹ von 1898 bis 1923 – aber nie wirklich abgerissen. Nach einem zufälligen Treffen im Jänner 1923 auf der Freyung in der Inneren Stadt kommt es zu einer Art Herausforderung von seiten Pollaczeks:

Ich: »Jedenfalls machen Sie vielen Frauen den Hof«. Und etwas kokett, aber ohne mir dabei etwas zu denken, fügte ich hinzu: »Mir haben Sie noch nie den Hof gemacht.« A. S. darauf: »Nun, wer weiss, das kommt vielleicht noch.« – Kurze Zeit darauf sagte er sich bei mir an. Er kam oft und immer öfter – – – – (CKP I, 12)

Daraus, dass der 7. Februar in einem Eintrag Pollaczeks als »Jahrestag« gefeiert wird,57 lässt sich schließen, dass die erotisch-sexuelle Beziehung der beiden an diesem Tag begonnen haben könnte. Dazu passt, dass Pollaczek schon zu einem frühen Zeitpunkt der Beziehung über ihre Eifersucht auf Schnitzlers ehemalige Ehefrau Olga schreibt:

Seiner Frau scheinen unsere Beziehungen nicht zu passen – sie war vollkommen orientiert und äusserte ihre Empörung. Aber er hat ihr den Standpunkt klar gemacht und ihr gesagt, sie sei wohl verrückt gewesen zu glauben, dass er als Eremit leben würde, weil sie ihn verlassen habe und sie sollte sich eher darüber freuen, dass er mich gefunden hat. (CKP I, 57)

Aus dem Nachlasskonvolut Arthur Schnitzler und ich lässt sich die wechselhafte Geschichte der Beziehung zwischen Pollaczek und Schnitzler in Briefen, Tagebucheinträgen, Reisediarien und Abschriften aus autobiographischen Skizzen ablesen. Pollaczek erscheint hier als Chronistin, die ihre eigene Geschichte um die von Schnitzler herumschreibt (und an seine anpasst). In diesem Zusammenhang interessiert bereits der Titel der Aufzeichnungen, in dem Clara Katharina Pollaczek den Namen »Arthur Schnitzler« dem Ich voranstellt.

In Bezug auf Pollaczek sind einige äußerliche Fakten biographisch relevant: Wiewohl aus wohlhabender Familie gebürtig, plagen die Autorin Geldsorgen. Sie hatte nach dem Tod ihrer Eltern (1918, bzw. 1921) die Familienwohnung der Loebs in der Alsergrunder Peregringasse übernommen und lebte dort vermutlich zunächst mit beiden Söhnen (wenngleich auch nur Karl mitgemeldet ist). Zumindest einen Teil ihres Lebensunterhalts scheint sie durch Vermietung von Zimmern sowie durch Versetzen und Verkaufen von Erbstücken bestritten zu haben. Die Wohnung in der Peregringasse wurde im Oktober 1928 verkauft – diese Transaktion brachte Pollaczeks Bruder Otto am 11. Oktober 1928 zum Abschluss:58

Es ist eine sehr böse Zeit für mich, denn wenn ich auch genau weiss, dass die Wohnung hier schon lange eine Belastung meiner Existenz in mancher Beziehung ist, so bedeutet sie mir doch mit all ihren tausend Erinnerungen so unendlich viel, dass ich es empfinde, als ob ich meine eigentliche Heimat für immer verlassen müsste. Mit der Peregringasse versinkt etwas für mich, in das irgendwie die Wurzeln meines Wesens und meines Daseins verstrickt sind und es tut sehr weh. Aber man muss auch damit fertig werden können.59

Die Wohnung wurde schon zuvor einmal ab Winter 1924/25 vermietet, weshalb Pollaczek »in ein kleines Zimmer ins Hotel Regina« (CKP I, 99) gezogen war. Am 21. März 1925 berichtet sie Schnitzler nach Berlin, dass sie in die Peregringasse müsse, »wohin jemand zur Besichtigung der Wohnung wegen eventuellen Ankaufes am 1. Oktober kommt. Es wird sicher nichts daraus, aber hin muss ich doch.«60 Es wurde wohl tatsächlich nichts daraus, denn am 6. Oktober 1925 bezog Pollaczek gemeinsam mit ihrem Sohn Karl wieder vier von sechs Zimmern, sie vermieteten aber schon ab dem 15. November 1925 wieder drei Zimmer samt Küche an Familie Spiegler, Verwandte ihrer Schwägerin Hedwig.61

Nach dem endgültigen Verkauf der Wohnung mietete Pollaczek auf Vermittlung eines Freundes von Schnitzler (Baumeister Siebert) im Oktober 1928 eine kleinere Wohnung in der Hasenauerstraße Ecke Hochschulstraße im 18. Wiener Gemeindebezirk (als Anschrift findet sich in den Briefen Schnitzlers an sie Hochschulstraße 16),62 eine Adresse, die ganz in der Nähe von Schnitzlers Villa in der Sternwartestraße 71 lag. Gemeldet war Pollaczek dort von 28. Oktober 1928 bis zum 4. November 1932.63

An äußeren Lebensumständen zu vermerken bleiben neben der chronischen Geldknappheit Pollaczeks (die sich von Schnitzler in dieser Hinsicht nicht gerne helfen ließ) einige gemeinsame Ferienaufenthalte in den für gutbürgerliche Wiener üblichen Sommerfrischegegenden (Salzkammergut, Semmering, Schweiz, Marienbad, Karlsbad64), Schnitzlers gelegentliche Reisen (die ihn in mehreren Fällen mit seiner Exfrau Olga an einen Ort bringen, was wiederum Clara Katharina Pollaczek sehr irritiert), und die Korrespondenz, die in Pollaczeks Konvolut gesammelt (Briefe) und protokolliert (Telefonate) ist. Die Fieberkurve der achteinhalbjährigen Beziehung ist hier eindrucksvoll dokumentiert. Gemeinsame Zerstreuung bietet vor allem das Kino. Die Qualität der Beziehung scheint sich im Verlauf der Aufzeichnungen von einer Dominanz des Sexuellen65 hin zu einer Dominanz des Visuellen zu verschieben. Dies gilt vor allem für das Jahr 1930, in dem die beiden fast ausschließlich miteinander ins Kino gehen (auch Arthur geht nicht fremd, zumindest nicht ins Kino).

Clara Pollaczek geht nach dem Zeugnis ihrer eigenen, auf Schnitzler zentrierten Aufzeichnungen nur selten ohne Schnitzler ins Kino (es gibt dort 14 Belege). Es ist kein solcher Kinobesuch außerhalb Wiens belegt. Ihre Kinobesuche ohne Arthur Schnitzler finden meist dann statt, wenn Schnitzler auf Reisen ist; in diesen Fällen – das betrifft die Mehrzahl der Belege – unterrichtet sie ihn brieflich von ihrem Kinobesuch, und nur durch ihre Briefabschriften im Typoskriptkonvolut haben wir überhaupt davon Kenntnis. Die 14 Kinobesuche ohne Schnitzler verteilen sich über den Zeitraum von Jänner 1925 bis Mai 1931, wobei es keine besonderen Auffälligkeiten bei der Verteilung gibt – eine leichte Häufung ist im September zu erkennen, also zu Ende der Sommersaison, wo Schnitzler Wien eher mied und wo das Kinoprogramm der letzten Saison wiederholt wurde.

Was Pollaczeks Kinogewohnheiten von denen Schnitzlers unterscheidet, der vergleichsweise häufig auch ganz allein ins Dunkel des Kinosaals flüchtet, ist dass sie nur zweimal einen Kinobesuch ohne Begleitung dokumentiert: Allein besucht sie Kinos am 2. September 1928 (»Abend allein im Kino.«, CKP II, 143) und am 1. Mai 1931 (»Ich war gestern gegen Abend allein im Kino, um die Zeit totzuschlagen.«, CKP III, 167). Bei allen anderen überlieferten Kinobesuchen ohne Schnitzler ist sie mit Verwandten (mit ihrem Bruder »Fredi« oder »ihren Kindern«, d.h. vermutlich mit ihrem Sohn Karl und dessen Frau Magdalena) oder mit Bekannten unterwegs, davon dreimal mit Frieda Pollak.

Gründe für Pollaczeks Kinoleidenschaft zeigen sich in den Aufzeichnungen zu diesen Allein- bzw. Fremdgängen nur bedingt (abgesehen von dem sozialen Aspekt, bei einem und anlässlich eines Treffens eben auch ein Kino aufzusuchen). Nur in den letzten beiden Einträgen vom 31. Juli 1930 und vom 1. Mai 1931 zeichnet sich der Wunsch nach Ablenkung bzw. Zerstreuung ab: »Mit den Kindern im Kino dann Tante Klara. Im ganzen etwas ruhiger« (CKP III, 68) heißt es da, der Kinobesuch dient mit Teilerfolg der Beruhigung. Die umgekehrte Variante davon beschreibt Pollaczek wie folgt: »Der Film ›Einbrecher‹ so elend, dass er mich nicht von meinen Gedanken ablenkte.« (CKP, III 167) Dies liegt in dem konkreten Fall daran, dass sich Schnitzler offenbar nicht bei ihr meldete und stattdessen mit Hedy Kempny spazieren ging: »Am Heimweg ½10 vor seinem Haus vorbei. Alles finster, nur in der Küche Licht. Wo mag er sein?« (CKP III, 167)

Am 26. August 1931 unternimmt Clara Katharina Pollaczek durch Einnahme von Schlafmitteln einen Suizidversuch.66 Sie überlebt, nachdem ihr der jüngere Sohn Karl (der mittlerweile Mediziner geworden war) den Magen auspumpte.67 Vier Tage später schreibt Schnitzler an Pollaczek – zum wiederholten Male formuliert er seine Forderung nach »Freundschaft und Freiheit«:

Liebes Kind, – Um diese nun einundeinhalbes Jahr andauernden Discussionen zum Abschluss zu bringen, nur ein paar Worte. Ich finde wie Du weisst seit geraumer Zeit, aus den natürlichsten Gründen dass die Beziehung zwischen dir und mir, nur auf der Basis Freundschaft und Freiheit fortgesetzt werden kann. Warum eine so[l]che Beziehung durchaus eine »Schweinerei« sein muss ist für einen logisch denkenden Menschen, durchaus nicht einzusehen,– umsomehr als je für keinen der beiden Teile, eine Verpflichtung zu irgend welchen Beziehungen, welcher Art immer nicht besteht. Dass sie ihm nicht verwehrt sein dürfte, ist ebenso selbstverständlich. Im übrigen ist es und wird es immermehr, – nicht nur aus seelischen Gründen das wichtigste für mich in relativer Ruhe arbeiten zu können; – und schon aus Selbsterhaltungstrieb bitte ich dich, auf weitere Unterhaltungen über dieses Thema nicht zu bestehen. Über gewisse äussere Voraussetzungen deiner und meiner Existenz und unseres Verkehrs sprechen wir sobald es dir genehm ist, – die inneren – es ist mein innigster Wunsch, werden sich dann von selbst ergeben Arthur.68

Aus der Sicht von Pollaczeks Tagebuch kehrt in der Folge dennoch eine ruhigere Phase in ihrer Beziehung ein; bis fast unmittelbar vor Schnitzlers Tod gehen sie regelmässig miteinander ins Kino, zuletzt am 19. Oktober 1931: »Er holte mich ab. ›Caffee Paradiso‹ Spannender Film.« (CKP III, 252) Zwei Tage später stirbt Arthur Schnitzler in seinem Haus. »Ich hielt seinen Kopf in meinen Händen bis zu seinem letzten Athemzug.« (CKP III, 253)

Nach Schnitzlers Tod blieb Pollaczek noch ein Jahr in ihrer Wohnung in der Hochschulstraße, dann zog sie nach einem kurzen Aufenthalt im Hotel Erzherzog Rainer in eine Wohnung in der Prinz-Eugen-Straße in Wieden.69 In den Wintern 1932 und 1933 diktierte sie ihr Vermächtnis Schnitzlers ehemaliger Typistin Frieda Pollak. Für die Zeit zwischen 1932 und 1938 fehlen wiederum Anhaltspunkte, auch und vor allem darüber, wie Pollaczek ihren Lebensunterhalt bestritt. 1936 brachte der »Europäische Verlag« zwar unter dem Titel Gedichte der Liebe die gesammelte Lyrik Pollaczeks heraus, die thematisch dem Verhältnis mit Schnitzler verbunden ist,70 doch dürfte diese Veröffentlichung nicht sehr einträglich gewesen sein.

Über das Schicksal von Clara Katharina Pollaczek während des »Dritten Reiches« schreibt ihr Sohn Karl:

Mother had had a hard time during the war. Having originally left Vienna without any difficulty with her Czech passport, she had lived for a time in Prague, very modestly but without real financial worries. However, whilst she was on holiday with friends in Switzerland, the Nazi occupation of Czechoslovakia happened and cut off her return. For a while she stayed on with those friends, but in time it seems the relationship became somewhat strained, and with the help of several people, prominent among them my father’s youngest sister Hedwig, then living in Israel, she went to a small, comparatively cheap pension. Even this, however, could not be long term, and eventually she was accepted, almost penniless, into a Salvation Army hostel in Geneva. It was during this time of hardship that she, who had been the strongest critic of our [Karls und Magdas] becoming Catholics, became herself converted and was received into the Catholic church by the Dominican Père de Menasce.71

Als Ausreisedatum aus Wien gibt ihr Bruder in einer »Anmeldung auf Grund §5 der Verordnung über den Verlust der Protektoratsangehörigkeit vom 2.XI.1942« dem Oberfinanzpräsidenten Wien gegenüber an: »[A]m 14.III.1938 nach Prag, von dort im Feber 1939 nach Genf, Schweiz / Derzeitiger Wohnsitz: Genf, Pension St. Boniface«.72 Nur zwei Tage nach dem »Anschluss« verließ Pollaczek das Land. Ihre literarischen Werke und ihre Bibliothek blieben vermutlich zunächst in Wien zurück, und zwar wohl bei ihrem Bruder Otto Loeb. Clara Katharina Pollaczek war, so geht aus dieser Anmeldung vom 10. Mai 1943 hervor, über eine Gast- und Kaffeehaus Gesellschaft m.b.H. im Besitz von Anteilen an einer Liegenschaft in Wien 7., Mariahilferstraße 78 gewesen. Die Gesellschaft, die diese Liegenschaft verwaltete (Bank- & Administratiekantoor »Vondel«, Amsterdam), war allerdings schon 1938 aus dieser Haftung entlassen worden – 3000 Schilling / 2000 RM waren »mit Bewilligung der Devisenstelle auf das Auswanderersperrkonto der Frau Clara Katharina Pollaczek bei der Creditanstalt-Bankverein zur Zahlung gelangt«.73

Der Sohn Karl Pollaczek, der seit 1926 mit Magda (Magdalena) Wellesz (der Tochter des Komponisten Egon Wellesz)74 verheiratet war, hatte im Wintersemester 1925/26 in Wien sein Studium der Medizin abgeschlossen und war unter anderem Assistent von Arthur Schnitzlers Bruder Julius am Wiedner Spital (4., Favoritenstraße 32) gewesen. Er war bereits am 29. September 1936 (aus Überzeugung, wie er schreibt) zum Katholizismus übergetreten.75 Trotzdem war er gezwungen, Wien mit seiner Frau Magda und der dreieinhalbjährigen Tochter Gabriele am 20. Juni 1938 zu verlassen, nachdem die Gestapo ihn zwei Tage zuvor verhaftet, aber wieder freigelassen hatte. Nach einer Zwischenstation in der Schweiz emigrierte er nach England76 und

erarbeitete sich seinen Doktorrang neu [volle Qualifikation verliehen am 2. Februar 1940], wurde zwar zu Beginn des Krieges als Ausländer interniert, konnte aber seiner neugewählten Heimat bald im Rang eines Majors dienen. In der Folge setzte er die schon in Wien angestrebte medizinische Karriere erfolgreich fort. Die Änderung des Namens [in Karl Pole] bestätigte die Entschlossenheit, England nicht als Emigranten-Intermezzo aufzufassen, sondern dankbar und willens als zweite Hälfte seines Lebens zu akzeptieren.77

Über den Verbleib der anderen Familienmitglieder während der NS-Zeit ist wenig gesichert. Aus den Memoiren von Karl Pole geht hervor, dass die Schwester Clara Katharina Pollaczeks, Anna Epstein, mit ihren drei Kindern in Wien verblieb, schließlich deportiert und in Theresienstadt ermordet wurde.78

Otto Loeb wohnte von 1916 bis zum 25. Februar 1943 durchgehend in der Alserstraße in Wien Alsergrund79 und hatte dort (Hausnummer 43) auch seine Kanzlei. In die Rechtsanwaltskammer war Loeb am 29. August 1913 eingetreten – vermutlich hatte er also 1912/1913 sein Studium der Rechte abgeschlossen.

Nach der Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938 wurde er aus der Mitgliedskartei gestrichen. Am 26. September 1945 trat er wieder ein. Als Grund dafür, dass er in Wien überleben konnte, nennt Karl Pole mehrere – auch in Schnitzlers Tagebuch erwähnte – hohe Auszeichnungen im Ersten Weltkrieg. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihn die sogenannte »Mischehe« mit seiner Frau Emilie (geb. Petter, einer Katholikin) schützte, die sich nicht von ihm scheiden ließ.80 Bis zum 31. August 1963 war Loeb Mitglied der Anwaltskammer.81 Er starb am 30. Jänner 1969 in Wien.82

Alfred Loeb ist im Index zum Allgemeinen Künstlerlexikon 1939 mit Londoner Wohnsitz belegt, sein Neffe erwähnt für 1942/43 seinen Aufenthalt in einem Kloster:

The other abbey I visited several times was Prinknash in Gloucestershire, where my mother’s youngest brother had found shelter and hospitality when he – also a refugee – came to this country […]. He had much changed since the days of his gay bachelorhood, had become a practising Catholic and a Franciscan tertiary, taking his faith and the Order’s regulations very seriously indeed.83

Alfred Loeb starb 1945 in Prinknash Abbey.84

Im November 1945 ging Clara Katharina Pollaczek zu ihrem Sohn Karl nach Gillingham, wo sie nicht zufrieden war (»A small two-roomed flat with a part-time daily help near us was all she expected!«85) und später nach London:86

Unfortunately […] mother’s happiness did not last very long. […] She also missed having any of her old friends around, or anybody with literary leanings or understanding of her own literary works. London, where she still had some acquaintances and where she hoped for literary connections, was out of reach for her from us and it soon became clear that if she was to settle down in this country it could only be in London. With the help of friends we found her accommodation in a convent near Swiss Cottage, where she had a bed-sitting room at a cost which my Aunt Hedwig and I between us could afford. My mother had also expected, and in several letters from Geneva had pressed for, help from my brother but this was never forthcoming. He himself lived under very primitive circumstances on a dairy farm in Argentine.87

Drei Jahre später – Ende 1948 – kehrte Pollaczek in ihre Geburtsstadt Wien zurück.88 Mit Hilfe ihres Bruders Otto (und mit der finanziellen Unterstützung ihrer Schwägerin Hedwig Spiegler und ihres Sohnes Karl) konnte sie die Reise und ihren Lebensunterhalt bestreiten.89 Für die Zeit vom 14. März 1949 bis zu ihrem Tod am 22. Juli 1951 ist wieder eine Meldeadresse ausfindig zu machen: 3., Lagergasse 6/4.90

Über diese letzten Lebensjahre Pollaczeks ist außer diesen kargen Angaben kaum etwas zu erfahren. Eine Welt war endgültig zusammengebrochen, die Schnitzler-Zeit war nach dem »Tausendjährigen Reich« vorbei, Pollaczek wollte aber der Nachwelt ihre Dokumente bewahrt wissen. Ein literarischer Neuanfang war schwer, ja er sollte sich als unmöglich herausstellen: Alle literarischen Kontaktpersonen, die sie vor 1938 hatte, waren tot oder emigriert, und ihre Veröffentlichungsmöglichkeiten waren mit ihnen verschwunden. Eine Spur zu verfolgen ist noch ausständig: Im Archiv des österreichischen P.E.N.-Clubs finden sich 15 Briefe und 8 Karten von Clara Katharina Pollaczek an die Schriftstellervereinigung, die aus der Zeit von 29. Mai 1948 bis 19. Jänner 1951 datieren.91 Im Jahr 1949 schließlich überließ Pollaczek ihr Typoskriptkonvolut Arthur Schnitzler und ich der damaligen Wiener Stadtbibliothek.

Clara Katharina Pollaczek verstarb nach längerer Krankheit92 am Sonntag, dem 22. Juli 1951, um vier Uhr früh an »Osteochondrose der Wirbelsäule, Spondylose, Herzmuskelentartung« (Sterbeurkunde vom 24. Juli 1951), und zwar in 19., Obersteinergasse 18–24 (Spital des Dr. Otto Buchner).93 Die Beisetzung fand am 26. Juli 1951 um 14 Uhr 30 am Sieveringer Friedhof (Gruppe 30, Reihe 1, Nr. 14) in einem mittlerweile ehrenhalber gewidmeten Grab der Stadt Wien statt,94 eine Seelenmesse wurde am 28. Juli in der Karlskirche gelesen.95 In der Verlassenschaftsabhandlung nach Clara Katharina Pollaczek ist ihr Testament vom 4. Juli 1949 enthalten.96 Ihr Bruder Otto kümmerte sich um die Verlassenschaft und wurde vom Gericht noch vor der Bevollmächtigung durch die Erben Hermann Erich Pollaczek und Karl Frederick Michael Pole als Erbenmachthaber akzeptiert. Clara Katharina Pollaczek hinterließ ein Vermögen von rund öS 17.800,97 nach Abzug der Begräbnis- und sonstiger Kosten (wie der »Parte in der Presse«, von der eine Quittung vom 26. Juli 1951 über eine Summe von öS 1.000.– dem Akt ursprünglich beigelegen haben muss) und einen literarischen Nachlass, der nach ihrem Tod zur Folge hatte, dass ihre Wohnung noch 3 Monate weiter bezahlt werden musste (Aufstellung des Bruders Otto Loeb im Verlassenschaftsakt).98

Im Testament werden die Söhne Hermann und Karl zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt (Hermann erhält die restlichen Schmuck- und Silberbestände),99 an Enkelkindern sind im Testament vom 4. Juni 1949 genannt: Gabriele Pole, Veronika Pole, Francis J. M. Pole (alle ohne nähere Angaben, an sie gehen einzelne Familienschmuckstücke).100 Auch andere Personen werden bedacht: Die Cousine Emmy Redlich, die öfters im Typoskript erwähnt ist, erhält ein Medaillon mit den Bildern von Pollaczeks Mutter und Großmutter; der Bruder Otto erbt die Wohnungseinrichtung;101 Hans Epstein-Strauss (nicht nachgewiesen) erhält als Andenken »meinen silbernen Kinderbecher […] sowie mein elfenbeinernes Papiermesser«.

Der Nachlass umfasste weiters ein goldenes Armband. Dieses sollte nach Pollaczeks letztwilliger Verfügung »veräussert werden und der Erlös, wenn er nicht für Beerdigungskosten benötigt wird, von meinen Erben zu einem wohltätigen Zweck verwendet werden«. So geschah es nach Angaben des Bruders auch: »Das Armband wurde an das Dorotheum verkauft und der Erlös hiefür im Sinne der Anordnung des Testamentes an Herrn Otto Soyka (verarmter Schriftsteller) ausgefolgt, und zwar S 281.52.«102

Epilog: Zurück zum Film

Die Redaktion der Neuen Freien Presse brachte am 25. Juli 1951, drei Tage nach dem Ableben Pollaczeks, eine kurze Notiz in der Rubrik »Kleine Chronik«. Dort ist neben den oben zitierten Angaben zu Todes- und Begräbniszeitpunkt lapidar zu lesen: »Die verstorbene Mitarbeiterin der ›Presse‹ gehörte als Schriftstellerin dem Kreis um Arthur Schnitzler an und war früh durch ihre feuilletonistischen Essays bekannt geworden.«103 Es gibt also möglicherweise in Hinblick auf Pollaczeks feuilletonistisches Werk noch Gelegenheit zu weiterer Forschung.

In derselben Ausgabe erschien auch die Todesanzeige, für die Otto Loeb verantwortlich zeichnete. Der Kontext ist beachtenswert und verdient besonderes Augenmerk in einem Band, der sich den Kinobesuchen Pollaczeks und Schnitzlers widmet: Auf Seite sieben stehen nämlich nicht nur die Parte für Pollaczek, einige Kleinanzeigen und die 42. Folge von Georges Simenons Kriminalroman Maigret und sein Toter, sondern auch das Kinoprogramm des Tages: Letzteres überwiegt bei weitem.

*

Trotz Pollaczeks akribischer Protokollierung ihrer Kinobesuche mit und ohne Begleitung Schnitzlers bleibt in ihren Berichten die Beziehung zu diesem im Vordergrund. So verzeichnet sie in mehreren Fällen direkt nach dem Kinobesuch nicht nur wie Schnitzler die Lokalität des angeschlossenen Abendessens, sondern fügt ihre eigene Einschätzung zur Lage zwischen Schnitzler und sich an.

Das verhindert – neben der auch im Allgemeinen im Berichtszeitraum noch nicht elaborierten Sprache über das Kino und den Film (dazu vgl. auch die Bemerkungen im Aufsatz von Michael Rohrwasser: Warum geht Arthur Schnitzler ins Kino? In: „A. ist manchmal wie ein kleines Kind“. Clara Katharina Pollaczek und Arthur Schnitzler gehen ins Kino. Hrsg. v. Michael Rohrwasser und Stephan Kurz. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2012, S. 48-63) – die einfache und abschließende Beantwortung der scheinbar einfachen Frage, warum Pollaczek mit Schnitzler ins Kino ging.

Das Kino hatte sich im Alltag so weit durchgesetzt – es gab ja beinahe in jeder Straße eines (siehe dazu den Beitrag von Werner Michael Schwarz im selben Band ab S. 364) –, dass der Besuch eine anerkannte Alternative zu anderen Freizeitbeschäftigungen war. Man ging vielleicht einfach gerne in ein Kino (das ist ein banaler Befund angesichts der Materialfülle dieses Bandes – aber es ist ein zulässiger und wichtiger Schluss). Die Bedeutung des relativ neuen Mediums Film für zwei literarische Persönlichkeiten im Wien der 1920er Jahre ist nicht gering zu schätzen. Die Fülle und Bandbreite der gezeigten – und von unseren Protagonisten gesehenen – Filme ist groß, das Spektrum reicht von heute zu Klassikern gewordenen Stummfilmen (zwischen Chaplin und Fritz Lang) über vergessene Zirkusfilme bis zu »einem peinlichen Sexualfilm«. Fest steht also, dass Pollaczek und Schnitzler beide cineastische Omnivoren waren, deren Rezeptionshaltung und -erwartung abgesehen von gemeinsamen Vorlieben für einzelne Schauspieler oder Regisseure kaum auf bestimmte Genre- oder Plotpräferenzen reduziert werden kann.

Auszuschließen ist, dass Pollaczek nur wegen oder gar für Schnitzler ins Kino ging, auch wenn sich das aus manchen der im Quellenteil dieses Bandes versammelten Einträge schließen ließe. Eine solche Annahme griffe insofern zu kurz, als sie ja doch auch mit anderen Personen und zweimal allein ins Kino ging; außerdem ist die Überlieferung ihrer Kinobesuche auf den Zeitraum 1923–1931 beschränkt, also auf die Zeit, als sie mit Schnitzler liiert war, und aufgrund der Quellenlage kann nichts über ihre Kinogewohnheiten außerhalb dieser Zeit gesagt werden.

Anmerkungen

1

Clara Katharina Pollaczek: Arthur Schnitzler und ich. [Wien: um 1933]. Originaltyposkript, 3 Bände. Wienbibliothek im Rathaus, Handschriftensammlung, Ic 149392. In der Folge unter der Sigle CKP mit Band- und Blattzählung im Text nachgewiesen und auf die Webseite der unkorrigierten Neuedition verlinkt. Hervorhebung im Original.

2

Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch. München und Wien: Langen-Müller 1978, S. 97.

3

Vgl. William H. Rey: »Arthur Schnitzler und ich«. Das Vermächtnis der Clara Katharina Pollaczek. In: The Germanic Review 41 (1966), 1, S. 120–135. Rey schreibt ihr die Rolle der Frau zu, »der es eigentlich aufgegeben war, ihre Eifersucht zu vergessen und nur sein Leid zu sehen« (123). Demnach habe sie »kein echtes Verständnis für die Probleme des alternden Mannes« (S. 130). Der Reflex Reys scheint zu sein, dass Pollaczek den großen Schriftsteller Arthur Schnitzler besudle (was sich vielleicht auch daraus erklären mag, dass Rey das Tagebuch Schnitzlers in der seit 2000 komplett vorliegenden Edition nicht kennen konnte).

4

Clara Katharina Pollaczek: Mimi. Schattenbilder aus einem Mädchenleben. In: Neue Deutsche Rundschau 8 (1897), Nr. 4 vom 1.4.1897, S. 396–413.

5

Arthur Schnitzler: Tagebuch 1879–1931. Hg. von der Kommission für literarische Gebrauchsformen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1981–2000. Zitate aus dem zehnbändigen Werk werden mit der Sigle Tb und dem jeweiligen Tagesdatum im Text nachgewiesen und auf die digitale Tagebuchedition verlinkt.

6

Das dokumentiert Pollaczek selbst, etwa anlässlich Hofmannsthals Tod: »Hugo war der ferne Märchenprinz meiner Mädchenjahre, obwohl wir uns auch manchmal sehr nahe waren.« (CKP II, 250). Vgl. auch K. M. F. Pole: Two Halves Of A Life. Gillingham: Meresborough Books 1982, S. 21: »[S]he and Hofmannsthal apparently actually flirted and kissed«.

7

Vgl. Renate Wagner: Frauen um Arthur Schnitzler. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1983 und dies.: Wie ein weites Land. Arthur Schnitzler und seine Zeit. Wien: Amalthea 2006.

8

Ulrich Weinzierl: Wer mehr liebt, zahlt drauf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.2.1996, ders.: Jede Nacht ein tiefrer Abgrund. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.2.1998, und ders.: »In den 5. Akt gehören solche Dinge nicht«. Es nahte das Ende: Der Abschluß der Edition von Arthur Schnitzlers Tagebuchwerk. In: Die Welt, 6.1.2001.

9

Vgl. Ulrich Weinzierl: Arthur Schnitzler. Lieben, Träumen, Sterben. Frankfurt am Main: S. Fischer 1994.

10

Vgl. Julian Preece: Arthur Schnitzler’s Correspondence with Clara Katharina Pollaczek. A Reassessment. In: The Modern Language Review 104 (2009), 3, S. 762–776.

11

Pole, Two Halves Of A Life. Karl Pollaczek nannte sich seit seiner Einbürgerung in Großbritannien Karl Frederick Michael Pole. Vgl. hierzu Wagner, Eine «Mondäne» im Schnitzler-Stil. Zu den Erinnerungen von K. F. M. Pole. In: Neue Zürcher Zeitung, 4.3.1983. Die Diplomarbeit von Andreas Tallian: »Im Schatten des Todes«, Die Beziehung zwischen Arthur Schnitzler und Clara Katharina Pollaczek. Wien: Dipl.-Arb. 2010 (http://othes.univie.ac.at/8476/) greift sowohl Poles Buch als auch Preeces Aufsatz auf – und liest aus Pollaczeks Typoskript nochmals den Beziehungsaspekt mit allen Indiskretionen heraus.

12

Die Schreibungen differieren. Die bisherige Sekundärliteratur zu Schnitzler und Pollaczek schreibt immer »Loeb«, die amtlichen Nachweise hingegen überwiegend »Löb«, die Grabsteine ambivalent-großbuchstabig »LOEB«. Hier wird nach den Fundstellen zitiert und nicht vereinheitlicht.

13

Vgl. CKP III, 184. Beerdigt wurde der Vater am 8. Juni 1921 am Wiener Zentralfriedhof I. Tor, Gruppe 76b, Reihe 31, Grab 23.

14

Vgl. CKP II, 249 und III, 198. Der Nachweis des Geburtsjahres fand sich nur auf dem Grabstein.

15

Zum Sterbetag vgl. CKP III, 27 und 150. Das Sterbejahr wurde erschlossen nach der Friedhofs-Datenbank der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, wo sie als Regine geführt und im selben Grab wie Louis Löb aufscheint, bestattet am 7. Februar 1918 (Grabstein dagegen wiederum »Regina«).

16

Vgl. CKP II, 196 und III, 155. Das Jahr der Eheschließung wurde nicht ermittelt.

17

Laut Matriken der IKG Wien wurde Anna Loeb 1877 geboren, nach der Datenbank des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands am 6. März. Pollaczek erwähnt, dass die Schwester 1927 in der Alserstraße wohnt (CKP II, 74). Anna Epstein »war mit dem Ministerialbeamten Dr. Paul Epstein verheiratet, der 1919 […] Selbstmord beging.« (Vgl. Arthur Schnitzler: Briefe 1875–1912. Hg. von Therese Nickl und Heinrich Schnitzler. Frankfurt am Main: S. Fischer 1981, S. 932). Der Suizid Epsteins wird von Schnitzler bereits 1916 erwähnt, siehe unten. Schnitzler erwähnt »eine sehr begabte Novelle von C. P.s Schwester; ›Marquise von Fontenoy‹« (Tb 21.1.1924). 1938 war Anna Epstein Sprachlehrerin in einem katholischen Konvent. Vgl. hierzu Pole, Two Halves of a Life, S. 124.

18

Für »Ferry« oder »Fredi« finden sich zahlreiche Belege in Pollaczeks Konvolut (vgl. CKP I, 47, 106, 166). In einem Brief an Arthur Schnitzler vom 6. Dezember 1927 erwähnt CKP die Eröffnung einer Ausstellung des Hagenbunds (CKP II, 86). Eine weitere Ausstellung wird in CKP II, 242, erwähnt, die auch in der Neuen Freien Presse vom 6. Juni 1929 rezensiert wird: »Loeb bringt zarte, grautonige Malerei: Porträt Landesgerichtspräsident Dr. Altmann, vornehm in der Charakteristik. Das Bildnis des Malers Fraenkel ist etwas zu derb geraten. Ganz entzückend ist eine kleine Landschaft Loebs« (S. 13). Weitere Erwähnungen finden sich in CKP III, 31, 126 und 171. Zu Alfred Loeb vgl. auch Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank, CD-ROM Edition, München, Leipzig: Saur 2009, sowie Die verlorene Moderne. Der Künstlerbund Hagen 1900–1938. Eine Ausstellung der Österreichischen Galerie im Schloß Halbturn, Burgenland. [7. Mai bis 26. Oktober 1993]. Hg. von Thomas Natter. Wien: Österreichische Galerie 1993, S. 255.

19

Vgl. CKP III, 32. Laut Grabstein (Sieveringer Friedhof, Gruppe 17, Reihe 1, Nr. 8) wurde Otto Loeb am 17. März 1882 geboren. Dort findet sich als Inschrift: »[M]ein inniggeliebter Vater, Dr. Otto Loeb, Rechtsgelehrter, Dichter – Soldat, 1882–1969«. Das Geburtsdatum ist auch in den historischen Meldedaten belegt.

20

Rudolf wurde am 22. Jänner 1880 geboren und starb am 10. April 1884, drei Tage später wurde er beerdigt. Die Adresse im Gräberprotokoll ist 9., Peregringasse 4. Der Grabstein trägt die Inschrift: »Hier ruht unser theures, unvergessliches Kind Rudolf Löb […] Tief betrauert von seinen Eltern und Geschwistern.«

21

Die historischen Meldedaten sind im Wiener Stadt- und Landesarchiv erst ab 1911 erhalten.

22

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 20f.

23

Vgl. Hugo von Hofmannsthal und Arthur Schnitzler: Briefwechsel. Hg. von Therese Nickl und Heinrich Schnitzler. Frankfurt am Main: S. Fischer 1964, S. 80, 82 und 84. »Fischer hatte sich bereits verpflichtet, die etwas ›dünn[e]‹ Mimi auch als Buch erscheinen zu lassen«, schreibt Konstanze Fliedl in ihrem Aufsatz: Verspätungen. Schnitzlers »Therese« als Anti-Trivialroman. In: Jahrbuch der Deutschen Schiller-Gesellschaft 33 (1989), S. 323–347, hier S. 330. – Dass Clara Loeb, die noch nicht volljährig war (die Volljährigkeit erlangte man nach geltendem Recht mit 24 Jahren), überhaupt an ihren Eltern vorbei publizieren konnte, liegt vermutlich an der Verwendung des Pseudonyms. Schnitzler hatte bereits 1895 Erfahrung mit pseudonymen Veröffentlichungen gemacht: In diesem Jahr reichte er als Vertrauensmann von Theodor Herzl unter dem Pseudonym Albert Schnabel dessen Drama Das neue Ghetto bei Samuel Fischer ein – Fischer sandte das Manuskript ungeöffnet zurück. Zu diesem »Verfasserroman« vgl. Clemens Peck: Im Labor der Utopie. Theodor Herzl und das ›»Altneuland«‹-Projekt. Berlin: Suhrkamp 2012.

24

Wagner, Eine «Mondäne» im Schnitzler-Stil.

25

Vgl. CKP I, Einlage nach Bl. 4. Ob nur im Pollaczek-Konvolut lediglich »positive« Stellen über Loeb/Pollaczek enthalten sind oder ob Frieda Pollak, die Pollaczek mit Stellen aus Schnitzlers Tagebuch belieferte, hier bereits vorzensierte, ist nicht ermittelbar.

26

Vgl. CKP I, Einlage nach Bl. 4 und das Tagebuch von Arthur Schnitzler vom 1. Jänner 1896. Die Stelle ist in der Tagebuchedition beinahe wortgleich enthalten mit dem Unterschied am Schluss: »[…] schicken, wurde sehr zutraulich«.

27

Das geht aus Schnitzlers Tagebuch hervor, wo er schon im Jahr 1896 einige im Hause Loeb von Clara und anderen Kindern der Familie aufgeführte Stücke vermerkt. Vgl. dazu auch Pole, Two Halves of a Life, S. 21.

28

CKP I, Einlage nach Bl. 4. Vgl. auch das Tagebuch Schnitzlers vom 15. Dezember 1896. Hofmannsthal hatte auch den Prolog zur ersten Buchausgabe von Schnitzlers Anatol verfasst.

29

Vgl. CKP I, Einlage nach Bl. 4 und das Tagebuch Arthur Schnitzlers vom 21. Oktober 1897.

31

Schnitzler notiert dies in Bezug auf Boris Vanjung. Pollaczek schreibt über ein zufälliges Treffen mit dessen Bruder Leo Vanjung am 16. Dezember 1930 in ihr Tagebuch: »Er hat gefragt, ob er mir Briefe, die an seinen Bruder Boris gerichtet sind, (meine erste grosse Liebe als Mädchen) zurückbringen darf« (CKP III, 129). Pollaczek legt in einem ihrer Romane der Geliebten des Protagonisten, einer Jüdin aus Odessa, folgendes in den Mund: »[I]ch habe immer ein Penchant für euch [Christen] gehabt. Du weißt schon – in meiner Jugend – blond, blauäugig – Boris«. Zit. nach Clara Katharina Pollaczek: Der Aufstieg. Wien: Österreichische Journal A.G. (»Neue Freie Presse«) 1927, S. 94.

32

CKP I, Einlage nach Bl. 4 sowie Tagebuch Arthur Schnitzlers vom 29.11.1897. Dies findet sich wortgleich am 30. November 1897. – Von den Eltern Loeb wäre eine solche Verbindung mit dem durch Liebelei und Anatol bekanntgewordenen Schnitzler nicht goutiert worden; die Vorstellung von »süßen Mädeln aus der Vorstadt« allerdings hat bis auf den Sohn Pollaczeks nachgewirkt. Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 21 u. 48f.

33

Das Hochzeitsdatum ist auch nachgewiesen in den Ehematriken der Israelitischen Kultusgemeinde. Otto Pollaczek war zwei Jahre älter als seine Frau. Als Geburtstag ist in Pollaczeks Konvolut der 20. Jänner vermerkt (vgl. CKP III, 142), als Geburtsjahr 1873 (vgl. Preece, Arthur Schnitzler’s Correspondence, S. 763). In den historischen Meldeunterlagen hingegen ist als Geburtstag der 21. Jänner 1873 erwähnt, im Archiv der IKG Wien der 20. Jänner 1873.

34

Pole, Two Halves of a Life, S. 24f. Die Episode, dass Erzherzog Ludwig Viktor nach dem Zusammentreffen beim Kaufmännischen Ball am 10. Februar 1898 (vgl. Neue Freie Presse, 15.2.1898, S. 8) den Brautleuten Clara Loeb und Otto Pollaczek ein Geschenk machte (vgl. Pole, 26) ist bestätigt in der Neuen Freien Presse vom 19. Februar 1898 (S. 6). So kam man damals in die Zeitung …

35

Vgl. Wagner, Eine «Mondäne» im Schnitzler-Stil. Dort findet sich auch der Hinweis auf die Firma J. Z. Pollaczek mit ursprünglichem Sitz in Kolín, später in Prag.

36

CKP I, Beilagen nach S. 4: Jugendbriefe an Arthur Schnitzler, Bl. 34. Clara Loebs Schwester Anna war zunächst in Felix Salten verliebt, die Verbindung wurde allerdings von den Eltern untersagt. Später nannten beide ihre ersten Kinder Anna respektive Felix. Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 24.

37

Zum Titel vgl. Sterbeanzeige in: Neue Freie Presse, 18.4.1908, S. 26.

38

Vgl. CKP I, 35. Sie verlängerte ihren tschechoslowakischen Pass im Jahr 1924 und am 17. Juni 1931 (vgl. CKP I, 70, CKP III, 189).

39

Vgl. Grenze und Staat. Paßwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie 1750–1867. Hg. von Waltraud Heindl und Edith Saurer. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2000. Vielen Dank an Anton Tantner für den Hinweis. Aus den historischen Meldeunterlagen ab 1911 geht Prag als Heimatzuständigkeit Otto Pollaczeks hervor.

40

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 25.

41

Ähnliches berichtet Friedrich Torberg von den Vorteilen seines tschechoslowakischen Reisepasses. Vgl. Torberg, Die Erben der Tante Jolesch (Anm. 2), S. 200.

42

So die Bezeichnung der Verlassenschaftsabhandlung nach Clara Katharina Pollaczek (WStLA, BG Innere Stadt, A4, 5A 842/1951) und in den Geburtsanzeigen der Söhne im Archiv der IKG Wien. Schnitzler nennt Otto im Tagebuch einen »Commis« (Tb 21.3.1898).

43

Im Nachlasskonvolut nennt Pollaczek ihn Harry, Herry, Hery oder Harri. Das Geburtsdatum geht aus dem Konvolut nicht hervor. Aus den historischen Meldedaten zu Clara Pollaczek zwischen 1911 und 1915 (zitiert weiter unten) und aus den Auskünften des Archivs der IKG Wien (dort konnte auch das genaue Geburtsdatum ermittelt werden) geht hervor, dass Hermann der ältere Sohn war (die Altersangaben der Meldeakten widersprechen einander, die Angabe von 1915 ist aber plausibler als die ältere von 1911).

44

Namensvarianten Pollaczeks: Carly, Charly, Cary, Carry, Carli, Karl, Karl Friedrich, Cari. Das Geburtsdatum findet sich ohne Jahresangabe bei CKP II, 171. Zum Geburtsjahr vgl. Wagner, Eine «Mondäne» im Schnitzler-Stil.

45

Vgl. die historischen Meldedaten zu Otto Pollaczek: »25 Jahre alt, geboren in Prag, mosaisch, verheiratet mit Clara, 23 Jahre alt«. Zur Angabe, dass das Haus den Pollaczeks gehörte, vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 26. Eine weitere Meldeadresse ist dokumentiert unter: »9.7.1907–9.7.1907: 9., Mariannengasse 20/7 (Sanatorium Loew)«. Aus dieser Meldung geht auch Otto Pollaczeks Geburtstag hervor.

46

Das Niederösterreichische Landesarchiv hat hierzu nichts vorliegen, auch in den Aufzeichnungen der Gemeinde Amstetten sind keine Meldedaten zu Pollaczek (in allen Schreibvarianten) erhalten.

47

Zur Todesnachricht vgl. Neue Freie Presse, 18.4.1908, S. 26. Beerdigt wurde Otto Pollaczek am 19. April 1908 auf dem Wiener Zentralfriedhof I. Tor, Gruppe 7, Reihe 1, Grab 30. Als Sterbeort ist im Verlassenschaftsakt nach Clara Katharina Pollaczek Wien 2., Blumauergasse 25 genannt (dies ist bestätigt durch die Angaben des Archivs der IKG Wien). Ein wenig ausführlicher zu den möglichen Hintergründen des Suizids durch Erschießen vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 31. – Otto Pollaczeks Vater Wilhelm, »Chef der Firma J. Z. Pollaczek«, überlebte den Sohn um fünf Jahre, er starb »nach längerem Leiden im 77. Lebensjahre« (Neue Freie Presse, 26.3.1913, S. 20). Clara Pollaczek ist in der Todesnachricht als Schwiegertochter genannt. Begraben ist Otto Pollaczek mit seinen Eltern (Charlotte, geb. Löw-Beer, 10.5.1849–21.11.1901, und Wilhelm Wolf, 29.1.1837–23.3.1913, so die Daten der Grabtafel).

48

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 33.

49

Vgl. CKP I, 9. In Frage kommen neben einem Herrn Hahn sowohl ein »Rittmeister Kerst (mein Kriegsflirt)« (CKP III, 93) als auch ein Herr »Teschenberg (alter Flirt)« (CKP III, 143). Mehrere Bewerber um die junge Witwe erwähnt der Sohn Karl, vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 34–36.

50

Vgl. ebd., S. 35–38.

51

Karl Pole berichtet von einer Wohnung in Hietzing im ersten Jahr nach dem Tod des Vaters und von häufigen Umzügen: »In those next years up to the War we repeatedly moved house though I am not quite sure why. We had one more stay in Hietzing and several in various districts situated more centrally in Vienna.« Vgl. ebd., S. 34 und 36.

52

Vermerk: »Laut Statth. Erl. v. 17.1.1918 Z. XIII-4137/1 ex 917 die Änderung des Vornamens Clara auf Clara Katharina bewilligt, Maat IV 159/II/918 M. v. 3.8.1918.« Die Namensänderung mit demselben Datum bestätigte Mag. Eckstein aus der Abteilung Matriken der IKG Wien.

53

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 41 u. 39.

54

Zum kurzen Eintrag vom 3. August 1916: Eine Meldeadresse in der Grillgasse (Simmering) ist amtlich nicht dokumentiert. Pollaczek war seit September 1915 mit ihren beiden Söhnen in der Wiedner Wohllebengasse gemeldet. – Schnitzler begegnete Otto Loeb am 15. August 1916 in Altaussee (Tb).

55

Fliedl, Verspätungen (Anm. 23), S. 330.

56

Pole, Two Halves of a Life, S. 54.

57

Vgl. CKP III, 150.

58

Vgl. CKP II, 168, und Wagner, Frauen um Arthur Schnitzler (Anm. 7), S. 137. Otto Loeb besorgte auch sonst teilweise die finanziellen Angelegenheiten Pollaczeks, vgl. etwa die Aufzeichnungen über ein »Steuergespräch mit Otto« vom 27. März 1929 (CKP II, 226). Er war auch Treuhänder für Pollaczeks Anlagen in Aktien.

59

Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, Brief vom 13. Oktober 1928. In: CKP II, 157.

60

Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, Brief vom 21. März 1925. In: CKP I, 156.

61

Vgl. CKP I, 234 (Pollaczek an Schnitzler, 17.10.1925): »Ich glaube, hoffe, dass sich die Wohnungsfrage in einer sympathischen Weise lösen wird, die, wenn auch finanziell nicht glänzend, mich doch auch von den ärgsten Sorgen befreien […] könnte. Ein Neffe meiner Schwägerin Spiegler (Sohn jener Nina Spiegler[,] die mit Mahler befreundet war) soll mit seiner jungen Frau die Zimmer mieten u.zw. mit Frühstück[,] Beleuchtung, Bedienung (u.zw. durch eine Bedienerin, die ich durch 2 Stunden in der Früh nehme um 3,800.000 Kronen)« und ebd. I, 239, sowie Arthur Schnitzler Tb 6.10.1925. Spieglers kündigen die Wohnung am 9. Juni 1928 (vgl. CKP II, 124).

62

Vgl. CKP II, 147f., sowie Wagner, Frauen um Arthur Schnitzler (Anm. 7), S. 137. Die Hochschulstraße wurde 1934 umbenannt in Gregor-Mendel-Straße.

63

Die Abmeldung aus der Wohnung in der Peregringasse erfolgte erst am 7. November 1928. Der Sohn Karl Pollaczek ist von 1.12.1930–27.9.1933 gemeldet in 5., Wiedner Hauptstraße 139/11. Mit seinem Umzug in eine größere Wohnung konnten auch die Möbel aus der Peregringasse wieder in Benutzung übernommen werden. Einen Teil davon ließ Karl Pollaczek sich nach England schicken, wo sie mit dem letzten Schiff vor Kriegsausbruch ankamen. Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 70 u. 112.

64

Pollaczek ist im Juli 1930 allein in Karlsbad, im September 1930 folgt gemeinsam mit Arthur Schnitzler ein Aufenthalt in Marienbad. Vgl. CKP III, 56f., 66f. und 94.

65

Am 8. September 1929 heißt es in Pollaczeks Tagebuch vielsagend: »A. zuerst weiter verstimmt, dann übertrieben zärtlich. Ich bin schon etwas müde. 99% seiner Liebe ›s.‹ aber auch das ist schön.« (CKP II, 261)

66

Vgl. Giuseppe Farese: Arthur Schnitzler. Ein Leben in Wien 1862–1931. München: Beck 1999, S. 326. Farese meint, die Eifersucht Pollaczeks gegenüber Schnitzlers Übersetzerin ins Französische, Suzanne Clauser, sei der Grund für den »plumpen Selbstmordversuch« gewesen. Aus der Sicht des Tagebuchs steht wohl weniger Eifersucht im Vordergrund als vielmehr zermürbende Fehl- bzw. Nichtkommunikation zwischen Schnitzler und ihr.

67

Die Heldin des zweiten Teils von Pollaczeks Roman Zwischen den Generationen unternimmt einen ähnlichen Suizid-Versuch, lässt das bereits aufgelöste Veronal dann allerdings stehen. Vgl. Clara Katharina Pollaczek: Zwischen den Generationen. Wien: Österreichische Journal A.G. (»Neue Freie Presse«) o. J. [1930?], S. 343. Zur Suizidmethode mit Barbituraten wie Veronal vgl. auch Schnitzlers Fräulein Else. Im Zusammenhang mit Fräulein Else erwähnt Pollaczek in einem Brief an Schnitzler vom 30. Juli 1926 ihre eigenen Schlafstörungen: »Mir ist zu miserabel, auch versäumt man nichts. Wolkenbruchartige Regengüsse. Ich liege und denke und schreibe und träume und schlafe, nur fliegen und sterben tue ich nicht, weil ich kein Veronal getrunken habe, aber allein bin ich – sehr allein.« (CKP I, 312) Eine andere Geliebte Schnitzlers, Mizi Glümer, tötete sich am 16. November 1925 mit Veronal (vgl. die Einträge vom 16. und 17. November 1925 im Quellenteil des Bandes – Schnitzlers Reaktion darauf besteht darin mit Pollaczek ins Kino zu gehen). Die Dosis von Fräulein Else ist – Schnitzler war ja auch Arzt – genau an der Letaldosis orientiert, sodass das Ende auch vom medizinischen Standpunkt aus gesehen in der Schwebe bleibt. Zu Pollaczeks weiterer Auseinandersetzung mit der Suizidthematik vgl. die Brieferzählung Der Tod der Gräfin Anastasia, deren Protagonistin durch Einnahme einer Überdosis Morphium aus dem Leben scheidet, und das Gedicht An den Tod, das mit folgenden Versen endet: »Und zögerst du, Erlösung mir zu bringen, // Hörst nicht den Ruf – Tod! Tod – man kann dich zwingen.« Zit. nach Clara Katharina Pollaczek: Gedichte der Liebe. Wien: Europäischer Verl. 1936, S. 30.

68

Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, Brief vom 30. August 1931. In: CKP III, 242.

69

Meldeauskunft: »4.11.1932–16.12.1932: 4, Wiedner Hauptstraße 27–29 (Hotel Erzherzog Rainer), 27.12.1932–27.6.1938: 4, Prinz-Eugen-Straße 30/Mezz./Tür Nr. unleserlich«. Beide Adressen liegen in Gehweite zum Wohnort des Sohnes Karl und seiner Frau Magda in 4., Favoritenstraße 4/5.

70

Vgl. Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918–1938. Bd. II: Belletristische Verlage der Ersten Republik. Wien, Köln, Graz: Böhlau 1985, S. 130f., wo es zum Verlag heißt: »Es ist schwer, den Umfang der Produktion dieses Verlags 1933–1939 einzuschätzen. Es scheint jedenfalls festzustehen, dass der Europäische Verlag unter Popovici kein gewöhnlicher Verlag war, insofern als der Verleger die Notwendigkeit des Verkaufs und Vertriebs, ja das Risiko übernahm. Vielmehr scheint es Usus gewesen zu sein, dass nebenberufliche Autoren an den Verlag herangetreten sind, mit dem sehnlichen Wunsch, ihr Geisteswerk als gedrucktes Buch zu sehen. Popovici kam ihnen entgegen. Es wurden dann meist Kleinauflagen auf Kosten des Autors veranstaltet, und dieser mußte Subskriptionen bzw. Abnehmer in seinem Bekanntenkreis finden. Der Autor dürfte auch allenfalls am Reingewinn beteiligt gewesen sein. Ob alle ›Autoren‹ mit dieser Praxis gut gefahren sind, mag dahingestellt bleiben. Wenn man die etwa zwei Dutzend Verlagswerke aus den Jahren 1936–37 näher ansieht, kann man feststellen: erstens, dass das Schwergewicht auf lebende Österreicher gelegt wurde, und zweitens, dass es sich nicht durchwegs um ›unbekannte Talente‹ handelt. So sind z. B. Kurt Sonnenfeld, Fritz Stüber, Gisela von Berger und Egon Dietrichstein mit Büchern vertreten.«

71

Pole, Two Halves of a Life, S. 122f. Am 27. Juni 1938, dreieinhalb Monate nach dem »Anschluss«, erfolgte die Abmeldung von ihrer Wiener Meldeadresse mit dem Vermerk: »Prag, C.S.R.«. Belege für einen Austritt finden sich im Archiv der IKG Wien und in den Matriken nicht; anders als für die beiden Söhne Hermann (Austritt 1919) und Karl (Austritt 1936).

72

ÖStA, AdR, Finanzen, FLD Nr. 5211. Clara Katharina Pollaczek war vor Inkrafttreten dieser Verordnung als ausländische Bürgerin bzw. ab 5. März 1939 als Angehörige des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren nicht zur Vermögensanmeldung verpflichtet, anders als ihr Sohn Hermann Erich, der zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch Angehöriger des Deutschen Reichs war, obwohl er bereits am 29. Juni 1931 via Hamburg nach Argentinien ausgewandert war (vgl. CKP III, 196). Aus Vorsicht hatte Otto Loeb bereits ein Jahr zuvor eine »Anmeldung nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.XI.1941« eingereicht, die am 29. Mai 1942 in der Vermögensverwertungsstelle beim Oberfinanzpräsidenten Berlin einlangte (ÖStA, AdR, Finanzen, FLD Nr. 5213). Dort ist als Wohnsitz Hermanns angegeben »La Martona Vicenta Casares Argentinien«. Er ist 1951 im Verlassenschaftsakt nach Clara Katharina Pollaczek (Anm. 42) nachgewiesen in Vedia (Provinz Buenos Aires), Argentinien (1949: El Totoral, Abbott F.S.S). Meldeadressen Hermann Pollaczeks vor seiner Auswanderung: 3.9.1919–14.9.1925: 9., Peregringasse 4/2/8, 19.12.1924–14.1.1925: 1., Bräunerstraße 11a/1/3, 12.9.1925–28.9.1927: 7., Neustiftgasse 5/Hochparterre/5, 29.9.1927–5.6.1930: 9., Grünentorgasse 18/2/10 (wieder dort gemeldet für 5.6.1930–2.12.1930 und 2.12.1930– 25.6.1931). Am 25. Juni 1931 abgemeldet nach »unbekannt«.

73

Auf eine Anfrage der Dienststelle für Vermögenssicherungs- und Rückstellungsangelegenheiten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland erklärte die Creditanstalt-Bankverein am 20. Jänner 1961, dass das Konto/Depot »im Jahr 1950 ausgegangen« sei. Möglicherweise ist das Guthaben auf dem Auswanderersperrkonto bis zu Pollaczeks Rückkehr nach Wien unangetastet geblieben. Mit dem Verlust ihrer Protektoratsangehörigkeit nach der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz ging das Kapital auf den Auswanderersperrkonten zwar direkt an das Reich über, doch kam es öfters vor, dass diese Konten nicht mehr »geräumt« wurden. Herzlichen Dank an Alfred Fehringer vom Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus für die diesbezüglichen Auskünfte.

74

Vgl. Wagner, Frauen um Arthur Schnitzler (Anm. 7), S. 135. Sie scheint in den historischen Meldeunterlagen auf als Magdalene, geb. am 30. Juni 1909. Kennengelernt hatten sich die beiden am 31. März 1925, er war 22, sie erst 16 Jahre alt. Vor der Hochzeit musste sie noch das Gymnasium abschließen. Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 50. Als gemeinsames Kind mitgemeldet ist Gabriele, geb. am 26. Oktober 1934.

75

Ein detaillierter Lebenslauf von Karl Pollaczek (Pole) ist nachzulesen in den Memoiren, die Konversion betreffend vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 74. Zum Anlass des Übertritts fügte Karl Friedrich Pollaczek seinem Namen den dritten Vornamen Michael hinzu. In den Memoiren finden sich auch ausführliche Schilderungen des spirituellen Lebens des Ehepaars Pollaczek/Pole.

76

Vgl. ebd., S. 17. Die Abmeldung von der letzten Wiener Wohnadresse 4., Favoritenstraße 4/5 (Meldezeitraum 2.10.1933– 22.6.1938) erfolgte mit dem Vermerk »unb[ekannt]«. Karls Abmeldung ging der Abmeldung seiner Mutter aus der Prinz-Eugen-Straße 30 um fünf Tage voraus, obwohl Clara Katharina Pollaczek schon seit dem 14. März 1938 nicht mehr in Wien lebte. Die Ankunft Karls in Dover datiert dieser auf den 14. Oktober 1938, Frau und Kind kamen einige Monate später aus der Schweiz nach. Vgl. hierzu ebd., S. 80 u. 83.

77

Wagner, Eine «Mondäne» im Schnitzler-Stil. Karl Pollaczek wohnte in England zunächst in London bei mehreren Bekannten, später in Kent, wo er nach seiner Internierung (ab 12. Mai 1940 in Maidstone, danach Huyton und Douglas, Isle of Man, Entlassung am 19. August 1940) zunächst in Rainham, dann in Gillingham wohnte und praktizierte. Von der medizinischen Karriere zeugen die Buchtitel Family Doctor and Family Problems (1959), Health and Happiness (1960) und Handbook for the Catholic Nurse (1964).

78

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 124. Zur möglichen Todesursache Typhus vgl. Schnitzler, Briefe 1875–1912 (Anm. 17), S. 932. In der Datenbank des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes findet sich eine Anna Epstein, geb. 6. März 1877, gest. in Theresienstadt 10. Juli 1942. Zur selben Person fand sich eine nicht sehr ergiebige Vermögensanmeldung (ÖStA 06/B4F/OOST/VA 37906), aus der als Wohnort aber Goldenstein bei Aigen (Salzburg) hervorgeht. Diesem Hinweis wurde nicht nachgegangen.

79

Pollaczek erwähnt die Wohnadresse nur ein Mal, vgl. CKP II, 68, 16.11.1927.

80

Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 124. Zu Otto Loebs Auszeichnungen vgl. Schnitzler, Tb 15.8.1916. Möglicherweise konnte Loeb auch Teile des verbliebenen Familienvermögens vor der Konfiskation durch den NS-Staat retten. Ein Teil des Familienschmucks aus dem Besitz von Karl Pollaczek wurde von Lord Charles Anthony Lyell zwischen März und Juni 1938 aus Österreich gebracht. Vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 13.

81

Ich bedanke mich für die Auskunft bei Frau Wagner von der Rechtsanwaltskammer. Die 4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz entzog jüdischen Rechtsanwälten die Zulassung mit Datum 30. November 1938. Otto Loeb konnte allerdings als »Konsulent, zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden« (so der Wortlaut seines Stempels auf den von ihm eingereichten Vermögensanmeldungen für Clara Katharina und Hermann Erich Pollaczek, ÖStA, AdR, Finanzen, FLD Nr. 5211 und 5213) weiter tätig sein. – Die Vermögensanmeldung Otto Loebs vom 27. April 1938 mit Änderung vom 15. Juli 1938 (beides: ÖStA, AdR, Finanzen, OOST/VA 22518 mit dem fehlgelesenen Namen Leeb) listet sein Büromobiliar auf und nennt die oben erwähnten Beteiligungen an der Gast- und Kaffeehaus Ges.m.b.H., für die er Treuhänder war. – Außer einem Eintrag in der Friedhofsdatenbank der Stadt Wien sind von Otto Loeb folgende Meldeadressen erhalten: 29.4.1916–17.2.1936: 8., Alser Straße 43/7, 17.2.1936–24.2.1943: 8., Alser Straße 43/11, 25.2.1943–19.3.1951: 2., Hofenedergasse 6/25. – Die historischen Meldedaten nennen als religiöses Bekenntnis »römisch katholisch« –, 19.3.1951–21.6.1965: 3., Lothringerstraße 14/9, 23.6.1965–30.1.1969: 8., Hamerlingplatz 4/5.

82

Dies geht aus den historischen Meldedaten hervor. Otto Loeb wurde am 5. Februar 1969 am Sieveringer Friedhof (Gruppe 17, Reihe 1, Nr. 8) bestattet.

83

Pole, Two Halves of a Life, S. 115.

84

Vgl. ebd., S. 124.

85

Ebd., S. 123.

86

Vgl. ebd., S. 122f. Angaben zu beiden Aufenthaltsorten finden sich auch in der Verlassenschaftsabhandlung nach Clara Katharina Pollaczek.

87

Ebd., S. 123.

88

Vgl. ebd., S. 124.

89

Vgl. ebd., S. 125. Karl war 1947 britischer Staatsbürger geworden und hatte seinen Namen zu Pole abgekürzt. – Das Auswanderersperrkonto auf Pollaczeks Namen wurde im Jahr 1950 aufgelöst. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt die volle Summe von 2000 Reichsmark (dann geschätzte 1000 Schilling, allerdings mit hohen Wertverlusten umgerechnet, weil, um einer Hyperinflation vorzubeugen, die Währung geplantermaßen an Kaufkraft verlor) auf dem Konto gelegen sein, so hätte Pollaczek mit dieser Summe immerhin vier Monate lang ihre beiden Zimmer in Untermiete bezahlen können.

90

Aus der Verlassenschaftsabhandlung nach Clara Katharina Pollaczek geht hervor, dass Pollaczek dort in Untermiete bei einer Frau Rudolfine Puntschert (im Testament als Zeugin mit gleicher Wohnadresse: Rudolfine Puchschat) wohnte.

91

Das österreichische Zentrum des P.E.N.-Clubs wurde im Juni 1923 gegründet, Arthur Schnitzler war der erste Ehrenpräsident. Klaus Amann konstatiert, der österreichische P.E.N.-Club sei zunächst »mehr oder minder eine reine Bankettgesellschaft« gewesen. Vgl. Klaus Amann: P.E.N. Politik, Emigration, Nationalsozialismus. Ein österreichischer Schriftstellerclub. Wien, Köln, Graz: Böhlau 1984, S. 17f. – Die Biobibliographie Österreichischer P.E.N. Club – Bibliographie seiner Mitglieder von 1956 verzeichnet lediglich aktive Mitglieder. Clara Pollaczek wird vermutlich aus diesem Grund nicht aufgeführt. — Roman Roček jedoch nennt Pollaczek als ehemaliges Mitglied in der Liste November 1947 bis Jänner 2000, aber nicht als Mitglied im Verzeichnis Stand Februar 1928. Vgl. Roman Roček: Glanz und Elend des P.E.N. Biographie eines literarischen Clubs. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2000, S. 609 und 616. Pollaczeks Aufnahme in den P.E.N.-Club wurde durch Felix Salten bei seiner »Thronbesteigung« vorgeschlagen und mit einer einzigen Gegenstimme angenommen. Vgl. hierzu Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, Brief vom 30. November 1927. In: CKP II, 70. Das Archiv des P.E.N.-Clubs war zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags nicht benutzbar.

92

Otto Loeb erwähnt im Verlassenschaftsakt, es sei »bereits während der Todeskrankheit der Verstorbenen anlässlich eines Besuches des Zweitgenannten [Karl Pole] in Wien« vereinbart worden, dass »dem Wunsche der Verstorbenen selbst entsprechend ich als ihr Bruder und Rechtsanwalt die Verlassenschaft abhandle« (Brief Loebs an das Bezirksgericht Innere Stadt, eingegangen 8.8.1951).

93

Der Sohn Karl gibt als Todesursache Krebs an, vgl. Pole, Two Halves of a Life, S. 138. Zur Todeszeit vgl. Neue Freie Presse, 25.7.1951, S. 4.

94

Nach telefonischer Auskunft der Magistratsabteilung 7 vom 18. August 2009 werden ehrenhalber gewidmete Gräber auf Antrag der Nachkommen bei der MA 7 eingerichtet. Nach einer Prüfung entscheidet der amtierende Bürgermeister über die Widmung. Im Fall Pollaczeks war dies Franz Jonas.

96

WStLA, BG Innere Stadt, A4, 5A 842/1951. Ein Testament muss auch schon vorher existiert haben, jedenfalls notiert Pollaczek am 17. August 1929 in ihr Tagebuch: »Habe Otto einen Anhang zu meinem Testament geschrieben.« (CKP II, 255)

97

Auf einem Konto bei der Creditanstalt Bankverein, Kontonummer 1262. Dank an Ursula Zimmerl, Historikerin bei der Nachfolgebank, für die Bestätigung der Vermutung, dass Kontobewegungsdaten (falls sie überhaupt im Archiv der nunmehrigen Unicredit Group erhalten geblieben sein sollten) dem Datenschutz und dem Bankgeheimnis unterliegen.

98

Die erwähnte Parte ist in der Neuen Freien Presse vom 25. Juli 1951 auf Seite 7 direkt unter dem Kinoprogramm des Tages plaziert. – Der Verbleib des Nachlasses (auch von Clara Katharina Pollaczeks Bibliothek) ist ungeklärt.

99

Hermann heiratete in Argentinien eine Wienerin mit dem Vornamen The[a]? (möglicherweise Thea Turnowsky), die vor einigen Jahren in einer Nervenheilanstalt in Wien starb – sie hatte nicht verkraftet, dass ihr Haus während der Beisetzung ihres Mannes (Hermann »Harry« starb in Argentinien) ausgeraubt worden war. Vielen Dank an Gabriele Mackenzie, die dem Verfasser am 24. November 2009 die weiteren Lebensgeschichten der Familie am Telefon erzählte. Möglicherweise war Hermann mehrmals verheiratet – jedenfalls erwähnt Schnitzler im Tagebuch am 27. Mai 1930: »Heute heiratet ziemlich plötzlich ihr ältrer Sohn Harry.« – Der ungewöhnliche Vorname The ist belegt in der Parte für Clara Katharina Pollaczek. Vgl. Neue Freie Presse, 25.7.1951.

100

Die Geburtsdaten der Kinder Karl Poles nach dessen Memoiren: Gabriele 26.10.1934, Francis 17.2.1942, Veronika 18.8.1945. – Als Wohnadresse Karls nennt der Verlassenschaftsakt nach Clara Katharina Pollaczek für 1951 »Gillingham, Kent, 25 South Avenue, England«. Diese Adresse (und das Nebenhaus Nr. 27) erwähnt auch Karl Pole mehrfach. Gabriele Pole heiratete Bernhard »Mac« Mackenzie, einen Geophysiker (vgl. Pole, S. 135), arbeitete nach einer Ausbildung zur Krankenschwester und später zur Hebamme zunächst für einige Jahre in Aden, Jemen, dann als Health Visitor u. a. in Tripolis, Libyen. Nach weiteren Stationen – Bernhard Mackenzie arbeitete bei einer Ölfirma mit Sitz in Dallas, Texas, und die Familie war stets für fünfjährige Aufenthalte im Ausland unterwegs – gingen beide 1994 in Pension und zogen 2003 nach Trinity, Florida. Francis John Michael Pole wechselte von British Railways zum katholischen Priesteramt, wurde dann nach einem Streit mit dem Bischof Bewährungshelfer, heiratete zunächst eine Niederländerin und lebte 1982 als Kaplan in Den Haag (vgl. Pole, ebd., S. 137), später als Vikar in Thornton Heath bei London (wo auch seine Mutter Magda nach dem Tod ihres Mannes lebte). Nach der Trennung heiratete er wieder und lebt als Priester der anglikanischen Kirche mit seiner Frau Niki in Croydon im Süden Londons. Für den Ehemann von Veronika Pole in Kentucky überlieferte Karl Pole keinen Nachnamen, Gabriele Pole (von ihr stammen neben ihrer eben kurz umrissenen Lebensgeschichte auch das exakte Geburtsdatum, der volle Name und die Kurzbiographie von Francis J. M. Pole) erzählte allerdings im erwähnten Telefongespräch, dass ihre Schwester als Veronika Lubkin nun in St. Leonhard, Maryland lebe. Ihr Ehemann, der Physiker J. Lubkin, mit dem sie 11 Kinder hat, starb 2006. Karl Pole verstarb am 22. Februar 1988 in Gillingham, seine Frau Magda am 20. September 2006 nach einem sechsjährigen Aufenthalt im Pflegeheim »The Whitgift Home«, Croydon, südlich von London. Beide sind auf dem Friedhof von Buckfast Abbey in Devon begraben.

101

Daraus sollte er seinen Sohn William W. Lorell, der in die USA ausgewandert war, nach eigenem Ermessen beschenken. Zu diesem Sohn vgl. die historischen Meldedaten der Stadt Wien: Ing. Wolfgang Loeb, geb. 28.10.1917, späterer Vermerk »in Argentinien«. Karl Pole nennt ihn einen »civil engineer« und lokalisiert ihn in den USA (vgl. Pole, S. 124f.). Wolfgang Loeb hatte 1938 eine »einjährige Studienreise nach England« angetreten, wie Otto Loeb es in der Änderungsanzeige zu seiner Vermögensanmeldung formuliert. Das dahinterstehende Schicksal konnte nicht ermittelt werden. Karl Pole erwähnt, dass Otto Loeb seinem Sohn eine seltene italienische Geige als einziges Objekt von Wert mitgegeben habe (ebd.). In der Vermögensanmeldung heißt es dagegen lapidar: »Meine Geige wurde im Sommer verkauft (Erlös RM 700.–), der Erlös verbraucht« (ÖStA, AdR, Finanzen, OOST/VA 22518).

102

Otto Soykas letzte Wiener Wohnadresse war 6., Gumpendorfer Straße 11/7.