Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 28. Januar – 1. Februar 1931


standen wir auf. Er nahm mich plötzlich um den Hals und küsste mich-
wie schon lange nicht; Du bist so hübsch, sagte er.

Ich sagte lächelnd: »schade dass du das nicht öfter findest«

Er : Ich finde es auch, wenn ich es nicht sage.

Ich Ich meine auch garnicht das du mir gerade das sagen sollst sondern
nur, dass es gut für uns Beide wäre wenn du öfter ein bischen lieb zu
mir sein wolltest.

Er : Wenn ich zu dir nicht lieb bin, so bin ich zu mir selbst noch viel
unlieber.

Die Stimmung war aber den ganzen Abend etwas vertrauter. – Das Stück
übrigens ausgezeichnet.

29 ten I. V. M. zu Hause. N. N. bei Herma Artaria, die mir immer besser
gefällt. Mit A. telef Gespräche über die Proben im Burgtheater.

30ten Abend bei A. mit Frieda und ihrem Bruder. Das Essen unerlaubt
schlecht. Ich bemühe mich heiter und unbefangen zu sein. A. will Dienstag
plötzlich für 2-3 Tage auf den Semmering. Er teilt es mir in Anwesen¬
heit der Frieda mit, als ob er meinen Widerspruch fürchtete. Ich finde
es aber nur sehr klug und sicher erholend für ihn.

31ten von Ask. aufgefordert mit A. bei ihnen zu nachtma[h]len. Frieda, die
mir die Einladung übermittelte sagte ich zuerst – nein – da ich die Leute
eineinziges mal vor 1½ Jahren bei A. getroffen habe, aber da die Frau
Ask. mich noch selbst anrief, konnte ich nicht ablehnen.

Mittag die Kinder. Hery wieder mit ungeheuerlichen Plänen. Meine Nerven
zu schlecht, um auch das noch zu ertragen.

bin so schon 2 Nächte schlaflos trotz Schlafmitteln. Carry sagte
heute; er möchte das Geld von Rotschild und meine Geduld haben. Ja, – Ge¬
duld hab ich wo[h]l -

1 Febr. Bei Ank. sehr gutmütige freundliche Menschen. Soigniertes Haus und
Essen. Ich nahm vor dem Fortgehen 2 Rekresal um gut auszusehen. Das ge¬
lang mir. Auf der Heimfahrt war A. wieder von einer solchen absichtlichen
Steifheit und Kälte, dass mir ganz übel war, als ich zu Hause ankam.