Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 23.–26. Januar 1931


andres übrig.

24ten 1. Die gestrige Oper schön aber zu lang. Hedwig im Theater, sprach
sie in einem Zwischenakt. Nachher wieder Meissel. Dr. D. scheint mit A.
nicht gesprochen zu haben, denn er ass wieder Kraftsuppe, trank Bier
und Schnaps. Ich sage nichts mehr. Auf der Heimfahrt streichelte ich sei¬
ne Hände, lehnte meinen Kopf an seine Schulter, aber er blieb wie ein Stock.
Ich nehme mir fest vor auch die kleinste Zärtlichkeit zu unterlassen.

(Zweifel und Mistrauen sind in mir denen ich noch keinen Namen zu geben
vermag.) Sein Benehmen ist zu unnatürlich. Mein Gott ich hab ihm doch
nichts getan.

Mittag die Kinder. Hery hat die tollsten Zukunfts- Pläne die mir nur Sor¬
gen machen.

Am N. M. Emmy R. die 2 St. blieb. Ein wunderbarer Charakter, aber ihre
s. G. n. Abgeklärtheit versteh ich nicht. Ich bin leider garnicht abge¬
klärt.

Abend allein zu Hause. Mit A. kurzes Telefon – Gespräch.

Strahlend blauer Himmel. 5 Grad Wärme. A. sagt mir telefonisch, dass
er Frau Clauser einen Abschieds- Besuch machen muss, da sie morgen nach
Paris fährt. Ich fühle jedenfalls die Absicht heraus sich den Sonntag
Vormittag frei zu machen. Wozu? Für wen?? Irgend etwas steckt hinter
seinem ganzen Verhalten. Ich bin allein spazieren gegangen --

26 ten I. Nichts ist jetzt ärger, als das Alleinsein mit ihm. Gestern
Abend erst Kino ([K]ommen sie zum Rendez vous) dann bei ihm zum Nachtma[h]l
Conversation. Nicht ein herzliches Wort, nicht ein guter Blick. Wenn ich
nicht zärtlich bin (und ich bin es nicht mehr) dann sitzen wir wie
Fremde nebeneinander und er sieht verstohlen auf die Uhr. Ist er krank,
ist er nicht normal? Was will er eigentlich von mir? Ich gehe in einer
Stimmung von ihm fort, die an Verzweiflung grenzt.

Heute wieder herrliches Wetter. Ich musste V. M. in die Stadt weil ich
N. M. eine öde Damen- Jause habe, und Abend zu Well[e]sz. Ich möcht am
liebsten durch 3 Tage Schlafmittel nehmen u. nichts wissen.