Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21.–23. Januar 1931


mit A. ins Theater ( Neues Schauspielhaus)

A. V. Mittag wieder Probe.

Gestern in der Stadt einen alten Flirt – Teschenberg – getroffen. Wie
lang ist das her wie alt wie müd bin ich seither geworden. Staune dass
es andere nicht merken.

22ten I. Gestern »Neues Schauspielhaus« – Bobby weint und Bobby lacht-
mit Harald Paulsen. Schwacher und schwachsinniger Abklatsch der Drei¬
groschen- Oper. A. gespensterhaft schlecht aussehend. Kühl fast unfreund¬
lich zu mir, obwo[h]l ich von der grössten Herzlichkeit bin. Ob wirklich
nur sein Befinden schuld ist? oft ist mir als m[ü]sste ich um Hilfe sch[r]ein-
Sieht und hört denn niemand!

23ten N. M. Thee mit Musik bei Königswarters dann mit A. bei »Die Rot[h]¬
schilds« v. Sassmann. Ein paar kluge Aussprüche einige geschickte
Scenen aber keine Handlung und eigentlich langweilig. Beim Fortgehen
strauchelte A. auf der Treppe. Ich streckte meine Hand aus wie ich es
unwillkürlich für jeden getan hätte, er brü[l]lt mich grob an; Weg! -
Nachher schämte e[r] sich und bat mich ihm zu verzeihen.

Beim Nachtmahl (Meissl u. Sch.) ass er einen grossen Teller Kraft- Sup¬
pe trank Bier und Orangen-Bitter. Ich traute mich nicht etwas zu sagen
aber ich werde Dr. D. anrufen und ihm mitteilen dass A. keinerlei Diät
hält.

V. M. A. in der Stadt getroffen der besonders frisch schien. Wir besuch¬
ten zusammen Schwarzkopf. Dann fuhr ich mit A. in einem Taxy bis zu
seinem Bruder Julius ( wo A. speist) und allein nach hause.

Mit Dr D. telefonisch gesprochen der unbedingt gegen die vielen Flüssig¬
keiten und den Alkohol ist. Komisch dass ich ihn immer erst bitten muss,
sich um seinen Patienten zu kümmern.

Heute Abend soll ich mit A. zu »Bocca Negro« gehen ( Oper v. Verd[i ]Text v.
Werfel) A. wird böse sein dass ich Dr D. anrief, aber mir blieb nichts