Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 20.–22. August 1930


die Dauer durchhalten werde.

Abends mit A. im Kino und dann bei Prochaska im Prater. A. kühl wie
immer. Ich sagte ihm sehr freundlich, dass ich meine Wohnung in Stand
setzen lassen werde, da ich dieses Leben zwischen Koffern und aufgeroll¬
ten Teppichen satt habe und er mir mit einer Reise, zu der er sich so
schwer zu entschliessen scheint, gar keinen Gefallen tut. Ich bleibe
ebenso gern hier. Darauf er: er habe die Absicht nächste Woche nach
Marienbad zu gehen und es sei ihm angenehm mit mir zu fahren. Ich
meinte, er könne ruhig auch allein fortfahren, da eine gemeinsame Reise
ohne Animo ein Unding sei. Er erklärte, dass es ihm gar nicht einfalle
allein fortzugehen, für Stimmung liesse sich allerdings kein Programm
machen, weder für hier noch für dort. Kurzum Drehs ohne Ende.

Es ist mir heute ganz klar, dass die Wühlerbeit verschiedener Weiber
nach unserer Reise in Caux angefangen hat. Diese Weiber fühlten, wie
nah wir uns dort gekommen sind und witterten Gefahr für sich. Nach
seiner Berliner Reise im Winter kam er plötzlich mit der veränderten
Einstellung und dem veränderten Programm zurück.

Heute Mittag Fredi (Armer Kerl, aber schwer zu helfen). Zum Tee Anna,
belangloses Herumgerede. Abends Cary und Harry, recht gemütlich, ohne
Harrys Eheangelegenhelten zu streifen.

21.8. Nervös und irritiert. Gehe um 3 Uhr zu Dr. Dr. wegen Diät. Frieda
angekommen und mich telefonisch von A. aus angerufen.

22.8. Gestern Abend A. bei mir. Höchst unerzucklich. Anfangs in Kon¬
versation, dann zunehmende Kälte, schliesslich sagte ich ihm wieder, dass
eine Reise auf einer solchen Basis von Unlust ganz sinnlos ist. Er be¬
hauptet, er habe ebenso wenig Lust hier zu bleiben als fortzufahren,
jedesfalls übernehme er keine Verantwortung für seine Stimmung. Er
glaube nur, es sei vielleicht besser, wenn wir uns einmal in einer an¬
deren Umgebung sehen als hier. Was soll man da noch antworten?