Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 23. Juli 1930


fern genug?

Du hattet mir im April gesagt: »Um den 20. Mai herum möcht ich mit
Dir fortgehen« und was ist daraus geworden -?? Ein fortwährendes Mich-¬
Beiseiteschieben, das selbst bei jedem Beisammensein zu spüren war,
auch wenn es nicht mit Worten zum Ausdruck kam.

Warum soll ich nicht empfinden, was alle andern und nicht innerlich
beteiligten Menschen empfinden und mir mitleidig oder scheinbar
naiv oder warnend oder kritische unter die Nase reiben. Nicht meine
Leute, nicht mein Kreis. Sie sind nicht orientiert oder zu taktvoll.
Aber die Andern sind es, die mit Dir in Berührung oder Kontakt sind
und sich eine Meinung bilden. Wie glücklich wäre ich, wenn ich inner¬
lich über sie lachen könnte, wie belanglos wäre das Geschwätz, wenn
es nicht ein Symptom wäre. Und wenn ich auch nie verrate, dass es mir
weh tut, mich immer ablehnend und abwehrend allen Aeusserungen gegen¬
über verhalte, so schmerzen sie ja doch, weil ich leider weiss, dass
sie irgendwie durch Dein Verhalten begründet sind.

Und so ist es mir auch[ (]sowohl von Frieda wie von Dora M.[)] nahe gelegt worden fortzufahren. Ich habe es
getan, obwohl ich wusste, dass es das Schlechteste war, was für unsere
Beziehung geschehen kohnte. Du schreibst: »Diese Wochen der Entfer¬
nung, die auch gewiss für Dich beruhigend gewesen sind« – Nein, mein
Kind, das waren sie nicht. Du hast ja selbst ein so schönes Wort über
die Einsamkeit geprägt. Frage Dich, ob irgend ein Grund war mich in
dieser grenzenlosen Einsamkeit und Verlassenheit wohl zu fühlen. Ich
bin in den zehn Jahren meiner unglücklichen Ehe nie so unglücklich
gewesen, wie ich es in diesen drei Wochen in Karlsbad und zeitweise
auch schon früher war.

Du wirst, wie gewöhnlich, sagen: Was ist denn geschehen? Ich habe Dich
nicht betrogen. Ich liebe keine Andere u. s. w. Und ich muss Dir ant¬