Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 19.–24. Juni 1930


ich annehmen, dass irgendetwas vorgeht oder wieder geplant wird.

20.6. Gestrige Unterredung mit Dora. Resultat: Ich soll nicht so viel
vorhanden sein, mich mehr distanzieren. Konflikte nur durch mich, weil
A. sich verpflichtet fühlt auch mit mir später zu reisen, wenn er jetzt
mit Heini fortgeht. Meine Antwort: Dass dazu gar keine Verpflichtung be¬
steht, dass ich geradeso zufrieden bin, wenn er dann hier bleibt und wir
in einem guten Einvernehmen sind. Sie darauf: Nein, das ist es nicht. Sie
sollen selbständig fortgehen, sich auf eigene Füsse stellen, über den
Sommer disponieren etc. An der Beziehung zur O. werden Sie nichts ändern.
Die O. hat Qualitäten trotz ihrer Fehler. Das habe zwar nichts mit mir zu
tun, aber ich solle mich mehr zurückziehen etc.

Ich habe Schmuck versetzt, einen meiner Smaragdringe etc. 900 S. bekommen.
Ich fahre fort. Was sie gesagt hat war eine Unverschämtheit, aber nie
hätte sie so zu sprechen gewagt, wenn A. sich nicht in diesem Sinn zu
ihr geäussert hätte.

22.6. Ich leide unsagbar. Dora hat ihm von der Unterredung erzählt,
aber natürlich mit halber Aufrichtigkeit.

Ich war zu Tisch drüben, trostloses Zusammensein. Er nimmt mir meine
Stimmung übel. »Was ist denn dabei, wenn man für ein paar Wochen auseinan¬
dergeht. Das ist doch keine Katastrophe, sondern Seelenhygiene.

Dass ich nur fort[g]ehe, weil man mir es nahegelegt hat, weil er die »Ver¬
pflichtung« los sein will, mich in sein Sommerprogramm einzubeziehen und
dass darin die Kränkung liegt, nimmt er einfach nicht zur Kenntnis.

24.6. Trostlose Tage und Nächte. Ich lasse die Keckheit von Frieda über mich
ergehen, die mir erklärt, ich benehme mich nicht bedeutend. Ich soll
mir den Mann doch anschauen, ob der noch fähig ist zu lieben. Ich habe
ihr geantwortet, dass was sie sagt gar nicht an mich herankommt. Ach,