Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 30. Mai – 19. Juni 1930


»Wenn ich so nachdenk – Du hast schon massenhaft für mich getan und es
wär Zeit, dass ich um zwei Kreutzer Vernunft hätte. -"

Gegen Abend A. auf einen Sprung. Zum Nachtmahl Anna.

A. macht morgen eine Autopartie nach Thalheim zu seiner Uebersetzerin
Clauser. Dadurch, dass er sie zuletzt ohne mich eingeladen hat und mich
unausgesetzt verhindert sie zusammen einzuladen (sie war nur bei einem
Damentee bei mir und ich bei ihr) bin ich auch jetzt nicht eingeladen.
Sonst ist jeder kleine Ausflug für ihn eine Affaire und da kann er sich
von ½11 Uhr Vormittag bis 11 Uhr Nachts in Bewegung setzen. Meine Nerven
sind manchmal am Rand.

7.6. Stummheit, Kälte – so gehen die Tage hin und es ist Sommer und
es wird wieder Herbst werden.

12.6. Etwas besser. Ich gebe mir solche Mühe. Er sagt, ich habe Dich sehr
lieb, auch wenn ichs nicht zeigen kann.

15.6. Nach Monaten ein guter Tag, aber ich trau mich kaum mehr mich zu
freuen. A. holte mich ab, wir sassen im Türkenschanzpark, dann zu Tisch
und bis ½6 Uhr bei ihm. Grosse Zärtlichkeit. Abend Kino, dann Heimfahrt
Hand in Hand und viele liebe Worte.

17.6. Gestern 16. ruft A. mich an mit fremder, kalter Stimme und teilt mir
mit, Dora M. sei für einige Tage hier. Warum er deshalb wieder verändert
ist weiss ich nicht.

18.6. Sorgen wegen Harry, Sorgen wegen A. Er ist wieder kalt und steif.

19.6. Nachmittag. Schwerer Gallensteinanfall nach einem telefonischen
Gespräch mit Dora. Ich soll sie heute bei A. am Abend mit etlichen Andern
treffen und ich rief sie an, um ihr zu sagen, dass ich sie auch gerne al¬
lein sprechen möchte, da sie mich doch gar nicht kennt und sie die Situa¬
tion hier nicht verstehen kann. Ihren merkwürdigen Antworten nach muss