Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 15.–30. Mai 1930

15.5. Der Brief ein Schlag ins Wasser. Er kam zu mir, sagt: »Soll ich
mir vielleicht jetzt den Kopf zerbrechen, was daraus entsteht, wenn ich die
O. im Sommer irgendwo treffe, wenn ich mit Heini zusammen bin? Ich kann
ihr nicht sagen, du darfst nicht auf zwei Tage zu mir kommen, Frau Clara
erlaubt es nicht«. Dabei ist er entstellt vor Wut und Aufregung. Was
bleibt übrig – als kuschen. Sein Geburtstag! Mittag die O. – abends ich -
heiter!

20.5. Immer freudloser. O. am 16. nach Berlin zurück. Es ändert nichts
mehr.

Zahnarzt, Sorgen wegen Harry, ich arbeite viel.

23.5. Kino, Theater, Autofahrten ohne jede Freude oder Zärtichkeit. Oft
glaube ich es steckt noch etwas anderes hinter seinem Wesen. – Versuch
einer Auseinandersetzung und zum Schluss wieder Verkrampfung. Ich ar¬
beite und meine Arbeit gedeiht, das ist der einzige Weg, den ich sehe.

Am 27. heiratet Harry.

24.5. Vormittag Autofahrt mit A., Mittag bei ihm, Abend Kino, »Kuss« mit Garbo
und – zuhause in meinem Zimmer vor Erbitterung geweint.

27.5. Harrys Frau äusserlich entzückend. Gott gebe, dass es ein Glück
wird!

Am Abend mit A. vor meiner Gartentür ein langes Gespräch. Er behauptet
mich um nichts weniger zu lieben als früher. Bessere Stimmung, – vielleicht,
vielleicht -

29.5. Mit A. Vormittag im Prater. Im Auto schiebe ich meine Hand unter
die seine, er drückt meine Hand freundlich, dann lässt er sie wieder los.
Ich ermüde.

30.5. Abend Nachtmahl bei Strasser mit A. Ich anfangs heiter, gesprächig,
herzlich, später trostlos, traurig.

Sehr liebe Briefe von Harry und Sina aus Heiligenkreuz. Harry schreibt: