Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 24. Juni – 1. Juli 1930


ich weiss, wären nur er und ich noch einmal irgendwo allein, er würde mich
wieder lieb haben.

25.6. Ich war bei Dr. D., um ihn zu bitten, er möge sich um A. kümmern,
wenn ich nicht da bin. Und dass ich auf ein paar Wochen fortgehe, weil man
es mir nahegelegt hat. Und ich habe solche Angst um [ih]n. Ich konnte kaum
sprechen, so weinte ich. Er hat mir verraten, dass die O. als sie hier war,
mit ihm sprechen wollte, damit er dahin wirkt, dass ich heuer allein fort¬
gehe und dass sie dasselbe auch bei andern Familienmitgliedern versucht
hat. Er hat ebenso wie die Andern die Intervention abgelehnt. Ist das
nun klar genug? Sie hat eben die Dora beeinflusst, dass sie ihm zuredet
allein auf Reisen zu gehen und in diesem Sinn hat diese eben auch mit mir
gesprochen.

26.6. Abschiedsbesuche, Besorgungen. A. 2 Tage nicht gesehen. Ich arbeite.
Will die Corday vor der Abreise fertig haben. Der 2. Akt aus meinem Stück
»Dame« von der Neuen Freien Presse angenommen. Gottseidank 500 S.! Jedes
Beisammenseinn mit A. eine melancholische Qual.

30.6. Erschöpft von Besorgungen, Bankwege, Einpacken. Abend Stern¬
wartestrasse. Hie und da von seiner Seite schwache Versuche von Liebevoll-¬
Sein. Verständnislosigkeit von seiner Seite. Findet Reise sehr vernünftig.
Küsst mich auf die Stirne. »Glaub nur nicht, dass ich gerührt bin.« – »Nein,
nein, ich glaubs nicht.« Wozu muss er das erst betonen.

1.7. So reise ich. In einer Viertelstunde verlasse ich das Haus. Hingemorde¬
te Frühlings- und Sommermonate nach diesem furchtbaren Winter. Und bald
wird wieder ein Winter da sein.

Karlsbad.

Was nützt es, dass er mich an die Bahn gebracht hat, vor der Coupétüre
stan[d], bis der Zug abging, mir Blumen und eine herrliche Tasche brachte.