Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 14. Mai 1930


die Zweisamkeit, ohne dass man die Freiheit wirklich geniesst.

Aber vielleicht ist Dir eine vollkommene Freiheit und
die innere Ruhe, die Dir darauf erstehen könnte, heute zuträglicher
und wichtiger, als eine Beziehung, die sich nicht ganz Deinen Wünschen
anzupassen vermag.

Ich kann heftige Worte und alles vermeiden, was Du mit
Szenen zu bezeichnen pflegst und habe es auch seit vielen, vielen Mo¬
naten getan. Aber ich kann es nicht verhindern, dass Du mir anmerkst,
wenn ich bedrückt oder traurig bin. Du tust mir weh und verzeihst mir
nicht, dass ich leide. Du strafst mich, indem Du mich kühl behandelst
und redest Dich in einen Zustand von Verkrampfung hinein, aus dem
Du schliesslich keinen Ausweg mehr findest.

Leidenschaft kann vergehen, aber Liebe und Zärtlichkeit
muss übrig bleiben, damit eine Beziehung gut und schön sein kann. Und
Liebe und Zärtlichkeit hat keine Altersgrenze.

Darum, mein Liebes, wenn Du fühlst, dass Du mich noch
wirklich gern hast, wenn Dir bewusst ist, dass ich nichts Unbilliges
verlange, wenn Dir an unserer Beziehung, an mir noch so viel liegt,
dass die kleinen Rücksichten, die nötig sind, kein Opfer bedeuten,
dann, aber auch nur dann rufe mich an, wenn Du diese Zeilen gelesen
hast. Nie, mein Kind, habe ich verlangt oder erwartet, dass Du Deine
frühere Frau nicht mehr siehst und sprichst. Es handelt sich hier
lediglich um das Ausmass der Begegnungen, worunter ich auch nicht ihre
heurige Anzahl, sondern nur Form,Dauer und die fortwährenden Kontakte
durch zunehmende telefonische Gespräche etc. verstehe, kurzum all das,
was ich fortwährend empfinde und Dir und mir überflüssige Irritatio¬
nen schafft.

Ist Dir aber Deine völlige Freiheit in Deinem Programmen,
in allem, was Du tun oder unterlassen willst, wichtiger, dann, Kind -