Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 14. Mai 1930


habe, aber diesmal tat ich es. Es war vor vielen Wochen, als wir im
Auto zur »Heiligen Flamme« fuhren und zum ersten Mal von Arnoldos
Urlaub und der Möglichkeit eines gleichzeitigen Besuches Deiner frü¬
heren Frau die Rede war. Ich sagte: »Nun ja, dann wird sie eben her¬
kommen. Ich bitte Dich nur um Eines,hier und nicht ausserhalb Wiens.[«]
Selbst wenn Du diesen Wunsch als einen nicht gerechtfertigten hättest
ansehen können, so hättest Du ihn mit ein wenig Liebe für mich berück¬
sichtigen dürfen. Keinerlei zwingende Gründe sprachen dagegen. Du aber
bist ruhig an meinem Leid vorbei, – das Du sicher geahnt hast, wenn
ich es durch keine Silbe verriet, – in dieses Hotel hinaufgefahren,
in dem wir voriges Jahr Tür an Tür gewohnt haben.-

Und heute kommst Du mit Deiner früheren Frau wieder
hieher zurück und morgen am Abend Deines Geburtstages (wie Du mir
telefonisch sagtest) darf ich zu Dir kommen. Nein, mein Kind, ich
glaube nicht, dass ich das in diesen 7 Jahren der Liebe um Dich ver¬
dient habe. Aber es handelt sich nicht um diesen einen Tag allein,
sondern um all unsere künftigen Tage.

Du sagtest in diesem Sommer in Caux, in der letzten
glücklichen und vielleicht glücklichsten Zeit unserer
Beziehung – »die Eigenschaften und das Wesen der O. seien Dir so
zuwider, dass es Dich schon fast ungerecht gegen sie mache« – und
ein ander Mal: »Wenn die Operation nicht gewesen wäre, würde ich nicht
mehr daran denken sie zu treffen.« Ich weiss sehr wohl, dass Du sie
nicht mehr liebst, aber die Frage ist, ob Du mich noch liebst. Es
dreht sich nicht zwischen die Wahl zwischen mir und ihr, sondern
um die zwischen einer vollkommen Freiheit und mir.

Eine Zweisamkeit ist immer eine Art Gebundenheit. Wenn
man aber immer Habtacht vor der Freiheit steht, dann vernichtet man