Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 24.–27. August 1929


machen soll.

25.8. Gestern schöner Abend. Zum Souper A. Smoking, ich schwarzes Spitzen¬
kleid und Samtmantel. Man sieht uns immer an, wenn wir in den Speise¬
saal kommen. Nachher mit ihm von meinem Zimmer aus auf den dunklen See
und die Lichter von Montreux und Territet hinuntergesehen. Wundervolle
Nacht.

A. [h]eute beim Frühstück in meinem Erker plötzlich in der Erinnerung
an Lili geweint. Wir haben uns verstanden. Wir alten Menschen genies¬
sen und dieses arme Kind ist tot. Er tat mir unendlich leid und ich
weinte mit ihm.

Spaziergang gegen Rocher de Nay. A. liebevoll und gut zu mir. Und
zu denken, dass er von mir zu dieser Frau gehen wird. Ich verstehe ja
gar nicht, dass sie es wünscht, wo sie doch genau weiss, dass er hier mit
mir ist. Vielleicht nur, weil sie damit ihre Macht beweisen will. Ach,
ich verstehe nichts von solchen Verworrenheiten.

26.8. Ausflug zu den Rochers de Nay. Nicht sehr lohnend, Aussicht durch
Nebel verhüllt, aber Stimmung ausgezeichnet. A. wird immer liebevoller.
Ich habe ihn noch nie so gesehen.

Briefe von Carry, Herry hat sich entlobt. Auf Carry bin ich stolz, er
war der Situation als Vertreter der Familie durchaus gewachsen.

27.8. Heute Früh Gespräch über O. A. sagte, es würde ihm nicht einfallen
sie zu besuchen, wenn sie nicht nach dieser Operation wäre. Das Zusammen¬
sein mit ihr bedeute ihm nicht mehr als das mit irgend einem nännlichen
Wesen, mit dem er fallweise zu sprechen wünsche. Sie sei eine alte lei¬
dende Frau und wenn auch nicht den Jahren nach, so doch viel älter als
ich. Sein Widerstand gegen ihr Wesen sei jetzt so gross, dass es ihn
schon fast ungerecht gegen sie mache etc. Zu mir ist er von einer
schrankenlosen Zärtlichkeit, wie noch nie in diesen Jahren.–Es be¬