Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21.–24. August 1929


Tränen ergriffen. Der Gedanke des Todes wird ganz unwichtig. A. hält
liebevoll meine Hand. Ach, wie verworren und unbegreiflich ist alles.-
Hotel hier in Ouchy sehr prunkvoll, aber unsere Zimmer schlecht, das Es¬
sen mässig. Mein Befinden nicht gut. Hatte auch während des Fluges viel
Herzbeschwerden.

23.8. Caux. Nach einer Autoinspektionsfahrt über Mont Pelerin, Les Avants,
Glion, Territet gestern Abend noch hier gelandet. Am Nachmittag in Ouchy
das Gepäck abgeholt, seit ½8 Uhr Abend hier. Wundervolle Lage, ausge¬
zeichnetes Hotel, ideale Zimmer, jedes mit einem Bad. Wie schön, wie
zauberhaft könnte das alles sein!

A. gestern Abend sehr zärtlich. Ich versuche ihm meine Empfindungen
klar zu machen. Er versteht mich nicht; seine Beziehung zur O. völlig
belanglos, zählt als Frau nicht, empfindet eigentlich Widerwillen gegen
ihr Wesen, Zusammenhang nur durch die Kinder. Und gerade das ist gar
nicht zu verstehen bei einer Frau, die so wenig eine Mutter war.-
Wetter leider kühl und trüb.

24.8. Und jetzt ist das Wetter ideal. A. lieb und zärtlich und meist
kindlich heiter. Ich gebe mir Mühe nicht zu denken und ihm den Aufent¬
halt angenehm zu machen. In der Früh Frührtück in meinem Erker, hoch
Über dem strahlend blauen See, der tief drunten liegt. Ich im Pygama, A.
im Kimono. Später Spaziergang. Gestern nur über das Regina-Hotel hinaus
in der Richtung gegen Les Avants, heute gegen Sochaux. Wir sind beide
fast übermütig. A. sagte bei Tisch, nachdem ich seine Blicke lange auf
mir gefühlt: »Was für ein nettes Wesen Du doch bist, von allen Deinen
sonstigen guten Eigenschaften ganz abgesehen.« Ich dachte, er meine meine
Ordnungsliebe. Aber er sagte: »Die gehört wohl auch dazu. Aber ich meine
Deine innere und äussere Reinlichkeit.« Er sieht so frisch aus wie nie
in Wien. Sah Nachm. mein Stück durch, ohne recht zu wissen, was ich damit