Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 4.–7. Mai 1929


nicht, dass ich das hin nehme. Ich tu natürlich, als ob ich diese Reise
ganz belanglos fände, denn sie muss nicht wissen, wie ich leide. Eine
sehr reizvolle, originelle Person, aber ich traue ihr nicht. Sie sagte:
»Warum sind Sie nur so bescheiden? Er soll Gott danken, dass er
sie hat«. Sie sagte auch, wie merkwürdig sie es gefunden hat, dass er
seinerzeit die grossen Seereisen mit Lili und nicht mit mir gemacht
hat. Eigentlich recht unschön von ihr dieses Aufhetzen, aber ich bin
dadurch innerlich ruhiger geworden, denn ich sehe erst recht, wie
gut ich mich zu A. benehme und immer benommen habe. Es war ja nicht
vorbedacht von mir, es kam eben so wahrscheinlich, – weil ich ihn lieb
habe.

5.5. Gestern Abend noch im Kino bei »Jungfrau von Orleans«. Originelle
Filmregie, aber unerträglich. A. hatte unaufhörlich Magenbeschwerden.
Ich dachte jeden Augenblick, dass wir fortgehen müssen. A. dabei so
liebevoll wie lange nicht, von einer schrankenlosen Zärtlichkeit.
Er wird damit nicht erreichen, dass ich anders denke, anders empfinde,
aber ich lasse es mir nicht anmerken.

Den ganzen Vormittag im Garten verbracht. Ich habe das Frühlingwerden
nie so nah erlebt. Ich bin wie berauscht, alle Bäume sind in Blüte.
Am Abend etwas melancholischer Spaziergang mit A. Wundervolles Wetter.
Dieser plötzliche Frühling greift ans Herz.

7.5. Vormittag Stadt. Im Dorotheum meine versetzte Unr prolongiert. Mittag
A. bei mir nach der Generalprobe von »Puppenspieler«. Er ist so lieb
und zärtlich wie seit Jahren nicht. Aber ich bin so verschreckt. Was
soll man denn noch glauben? Ich wünschte, er wäre schon gesund vom
Wörthersee zurück. A. sagte: »Heute sind es 75 Monate, dass wir uns
den ersten Kuss gaben.« Ach, wie viel Leid liegt in diesen Jahren
und wie leicht wollte ich unsere Beziehung anfangs nehmen. Ich glaube,
wir würden jetzt sehr glücklich sein, wenn uns die O. nur in Ruhe