Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 30. April – 4. Mai 1929


Abend bei »Verbrecher«. Interessant und begabt, wenn auch kein Kunst¬
werk. Spiel und Inszenierung fabelhaft. Nachher mit A. und Horch in
der »Linde« genachtmahlt. Beim Gedränge des Ausgangs hatte ich einen
Augenblick den Wunsch mich einfach zu verlieren, wortlos zu verschwin¬
den. Aber sie bemerkten schliesslich mein Zurückbleiben.
Forsierte Konversation beim Abendessen.

Heute Abend Alma, Werfel, Hofrätin Z. und ich in der Sternwartestrasse
bei A. Ich werde Nerven brauchen.

1. Mai. Mit 2 Tabletten Kola und viel Alkohol ist es gegangen. Ich
war sehr heiter, der Abend sehr animiert A. sah elend aus. Hinter
seiner guten Stimmung war Trauer. Alma bestätigte mir heute telefonisch
diesen Eindruck. Sie sagte, sie will an A. schreiben, um ihm zu erklä¬
ren, warum sie jetzt in Berlin die O. nicht besucht hat. Sie kann
einfach nicht. Sie sagt, seit Lilis Tod sei sie mit der O. fertig.
Ich erzählte ihr nichts von A.'s Reiseplänen mit der O. und Arnoldo,
denn ich habe das Gefühl, ich mache ihn lächerlich.

Heute Abend soll ich zu A. Ich fürchte dieses Tête-à -tête. Gott,
wenn nicht Mitleid und Zärtlichkeit in mir vorhanden wäre ginge ich
ja auf und davon.

3.5. Den ganzen Tag an einem Brief an A. geschrieben, dass es ja das
Beste ist, wenn ich gehe. Nicht wegen der 8 Tage am Wörbhersee, son¬
dern wegen allem, was schon war und noch sein wird. Um 6 Uhr kam er
herüber und sagte sehr liebevoll, mich beim Kinn nehmend: »Nun, schon
vernünftiger?« Ich antwortete, das hat mit Vernunft nichts zu tun. Und
in einem dummen Impuls gab ich ihm den Brief. Er las ihn, war sehr er¬
griffen, aber es ändert nichts. Ich soll einsehen, ich soll ver[s]tehen.

4.5. Heute Nachmittag bei Alma. Natürlich wieder Gespräch über A. und
die O. Alma weiss schon von seiner Reise an den Wörthersee, versteht