Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 9. Oktober 1928

An A.S.,Berlin.

Wien, 9. Oktober 1928.

Liebster,

heute Früh kam Deine Karte und Mittag fand ich Deinen lieben
Brief vor, als ich von meinen diversen Gängen heimkam. Zu berichten wä¬
re in erster Linie, dass mich Baumeister Siebert, den ich gestern auf¬
suchte, eben anrief und mir die Wohnung Ecke Hasenauerstrasse und
Hochschulstrasse antrug, die ich mir letzthin am Sonntag Vormittag,
wie Du Dich erinnern wirst, flüchtig ansah und davonging, weil sie
400 S. monatlich kosten sollte. Er glaubt, dass sie jetzt um 300 S. zu
haben wäre. Ich sehe sie mir jedesfalls morgen Vormittag noch an
und bitte Dich vielleicht mich Donnerstag Früh anzurufen, damit man
darüber sprechen kann. Du sagtest damals, die Lage sei vielleicht lär¬
mend, aber das kann doch nur an schönen Sonnerabenden in Betracht kommen
wo man ja selbst nicht schläft. Auf den ersten Blick hat mir die Woh¬
nung damals sehr gefallen, aber vielleicht hat sie auf den zweiten
Blick grosse Fehler. Vederemo! Ich kann mich nur überzeugen, ob sie
gut und preiswert ist, Du musst mir dann sagen, ob Du dafür oder dagegen
bist. Ueberlegen kann man es sich natürlich nicht lang.

Denk Dir, als ich gestern Mittag heimkam, war ich in recht
trübseliger Stimmung, denn ich war stundenlang herumgelaufen, um eine
alte Perlennadel zu verkaufen und hatte sie schliesslich ebenso wie
mein goldenes Armband (nicht das, was ich von Dir hab natürlich) im
Dorotheum versetzt. Zuletzt verkaufte ich ein Opalringerl meiner Mut¬
ter, das sie als Mädchen trug mit schwerem Herzen um 40 S. So war ich
doch für die nächsten Tage gedeckt, denn ich besass nur noch 30 S. und
keine Einnahmen vor 1. November. Ich tröstete mich mit dem Gedanken,
dass Opale angeblich Unglück bringen und es vielleicht gut ist, wenn
er fort kommt. Kaum war ich zuhause, rief mich meine Schwägerin Hedwig
an und sagte mir, ich solle es ihr und mir nicht schwer machen, sie
weiss, ich bin durch den Auszug der Mieter in einer bösen Situation und