Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 5.–9. Oktober 1928


Trotz späterer grosser Zärtlichkeit von seiner Seite kam keine rich¬
tige Stimmung mehr zwischen uns auf.

6.10. A. um 5 Uhr abgereist. Ich raffte mich aus einer geradezu ver¬
zweifelten Stimmung auf und ging zu Tante Clara. Tante Sidonie, alle
Cousinen dort, man beglückwünschte mich zu den »Lasttieren«, die in
der Neuen Freien Presse erscheinen.

7.10. Hofrätin Z. ruft mich an, ladet mich für nächsten Sonntag ein.
Ihre Schwester Clemenceau und Painlevé kommen aus Paris. Sie er¬
zählt mir von dem neuesten Skandal der O. in Berlin. Die O. hätte
ihre Wohnung von der Schauspielerin Salmanova gekauft, die sehr arm
ist und ihr 3000 Mark Angabe gegeben. Jetzt weigert sie sich den ver¬
einbarten Rest von 3000 Mark zu zahlen und droht, die Salmanova anzu¬
zeigen, da der Wohnungsverkauf gesetzlich nicht gestattet ist. Die
Terwin hat es der Hofrätin erzählt und erklärt, die O. werde in Berlin
boykottiert, da das aufgelegter Betrug ist. Ich für meinen Teil
glaube weder der Terwin, noch der Salmanova, noch der O. Alles Komödian¬
tenpack. Aber A. wird es wieder Geld kosten. Seine Schuld.

9.10. Gestern den ganzen Vormittag in der Stadt herumgelaufen, etwas
Schmuck verkaufen. Hab schliesslich eine Perle und ein Armband im
Dorotheum versetzt und ein altes Opalringerl meiner Mutter unter
Thränen um 40 S. verkauft. Als ich heimkam, rief mich Hedwig an, ich
soll es ihr und mir nicht schwer machen, sie hat mir einen Betrag an¬
gewiesen, der mir über die nächsten Wochen hinweghelfen soll. Zuerst
wolte ich durchaus nicht, aber sie machte mir ein Nein unmöglich. Und
ich bin ihr viel lieber dankbar als A. Wie gut ist es doch, diese
drückendsten Sorgen los zu sein und wie froh bin ich nichts von A.
genommen zu haben.–Brief von ihm. Er hat gleich am ersten Abend
das neue Stück O. und Heini vorgelesen. – - Sehr wichtig, dass sie dabei war