Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 3.–8. August 1928

3.8. Die ganze Nacht kein Auge geschlossen. Fühle mich elend. Um
½11 mit O.'s gütiger Zustimmung bei A. Ergreifendes Wiedersehen.
Sein Schmerz zerreisst mir das Herz, aber sein Verhalten gegen mich ist
so verletzend, dass ich alle Kraft aufbieten muss, nicht fortzulaufen.
Während er meine Hände küsst und sie streichelt, erzählt er, dass er
noch mit Heini in die Berge gehen will und O. auch hinkommt. Diese
Schwäche, diese Feigheit! Irgendwo fühle ich mich bei all dem
grenzenlosen Mitleid mit ihm, angeekelt. All dieses Lawieren mit Gefüh¬
len, Erotik, falschen Einstellungen, kein grades Empfinden. Darüber ist
auch dieses Kind zugrunde gegangen.

Irgendwo hat er auch den Wunsch nach einer Annäherung zwischen der O. und
mir und ich war schon bereit sie heute Mittag zu erwarten. Dann fürchte¬
te er sich wieder vor einer Szene und meinte vielleicht nächstens.
Wozu überhaupt? Zwischen ihr und mir eine Welt. Nie können wir uns
ehrlich die Hände reichen.

4.8. Abend. Bei Frieda. Viel gesprochen. Er will durchaus, dass ich mich
erholen fahre. Ich weigere mich. Eigenes Geld habe ich nicht, und seines
will ich nicht.–Mittag die Kinder bei mir.

5.8. Melancholischer Spaziergang mit ihm im Prater.

6.8. Ich bin mit meinen Nerven fertig. Debatten via Frieda. Er erklärt,
er liebt nicht, braucht mich, wenn ich ihn verlasse, geht er an dem Konflikt
zugrunde. Alma M., seine Schwester Gisa, Dora M. aus Berlin bei ihm und
ich soll ruhig zusehen und warten.

Und keine Antwort von Ullstein. Geld! Wie nötig wäre das jetzt. Den
ganzen Vormittag in der Stadt zwei antike Fächer zu verkaufen versucht.
Umsonst.

8.8. Vormittag mit A. im Dornbacher Park. Singende Kinder zogen vorbei.
Er weinte und ich weinte mit ihm. Und doch ist Erbitterung in mir ge¬
gen dieses 18jährige Wesen, das zu gar nichts taugte. Interessant, ja -