Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 28. Juli – 2. August 1928

28.7. Lili ist tot. Er hat sie nicht mehr lebend angetroffen. Was
lässt sich da noch sagen? Ob sie nicht selbst – -? Ich renne in
meinem Zimmer umher, denk an ihn, schreib an ihn. Aber wie ihm helfen
das zu ertragen?

29.7. Brief. Lili hat sich erschossen.

30.7. Es ist nicht auszuhalten. Die Zeitungen voller Details, Wahres
und Erlogenes. Mein Telefon rast den ganzen Tag. Zeitungen, Reporter,
Trebitsch, Hofmannsthal. Und dabei diese Sorge, wie wird er's ertragen?
Gestern Abend bei Frieda. Dann noch bei Cary und Magda.

31.7. Zurück. Seine Stimme am Telefon gehört. Wir waren Beide so er¬
griffen, dass wir nicht sprechen konnten. Arnoldo, Heini wohnen bei ihm,
die O. in der Pension. Vormittag vor seiner Ankunft draussen bei ihm, um
Lilis Bild mit Blumen zu bekränzen.

A. schrieb mir im ersten Brief.: »Kränk du dich nicht zu sehr, auch mei¬
netwegen nicht.« Und an Frieda: »Sagen Sie Frau Clara, dass sie sich
körperlich und seelisch schonen soll, auch um meinetwillen.« Diese Worte
lassen mich hoffen, dass ich ihm etwas sein kann.

31.7. Abend. Noch ein paar verspätete Zeilen aus Venedig. So lieb und
traurig.

1. August. Anruf vor 7 Uhr Früh, dann zwischen 8 und 9 und Abend um
½11, wie ich von meinem Kindern heimkomme.

2.8. Nun ist er den dritten Tag da und ich darf nicht zu ihm, anstatt die¬
ses Weib hinauszupeitschen, die an allem schuld ist. Ich liess ihm durch
Frieda sagen, ich scheide wortlos aus, wenn er die O. jetzt braucht, ihr
vielleicht näher gekommen ist. Aber er behauptet, er brauche mich und
mehr denn je, dass ich nur jetzt Geduld haben soll, die Situation nicht
erschweren. Ich gehöre zu ihm. Und dabei martert er mich.

Heute meine Brillantuhr im Dorotheum versetzt.