Freitag Abend 27.7.1928. Wien
Mein Liebstes, was würde ich darum geben, wenn das Entsetzliche nicht
wahr wäre, was würde ich darum geben, wenn ich in dieser furchtbaren
Nacht wenigstens bei Dir sein könnte. Deinen Kopf in meine Arme
nehmen und Dich streicheln dürfte. Wie unsinnig ist es, dass ich in
diesen schwersten Stunden Deines Lebens nicht bei Dir sein kann. Ich
weiss, mein Liebstes, dass auch ich Dir nicht helfen kann das Schreck¬
liche zu tragen und meine ganze grosse Liebe nicht. Aber ich könnte
mich doch wenigstens um Dich kümmern, um Dich sorgen, einfach für Dich
da sein. Ich bin gerade von der Frieda nachhause gekommen, als sie
mich anrief, um mir Dein Telegramm mitzuteilen. Sobald ich dazu fähig
war bin ich aufs Telegrammamt gelaufen. Nun sitz ich hier allein und
alle meine Gedanken sind bei Dir und ich weine mit Dir um dieses
arme Kind.
Wenn Du mich brauchen kannst, wenn ich Dir nur ein klein wenig nützen
könnte, dann lass mich zu Dir kommen. Ich habe schon heute Nachmittag,
ehe zu Frieda fuhr, meinen Pass zu Enit gegeben und bekomme ihn
morgen um 3 Uhr. Aber ich tue nichts ohne Deinen Willen, wenn mich
auch alles zu Dir treibt.
Glaub mir, es ist furchtbar bitter so dasitzen zu müssen, ohnmächtig
gegen das Schicksal, das den teuersten und geliebtesten Menschen
trifft und nichts, gar nicht für ihn tun können. Alles was ich da
hin schreibe erscheint mir läppisch und nichtssagend gegen das, was
ich fühle und Dir geben möchte. Ich bitte Dich Liebstes, bleib gesund
für [D]eine Arbeit und auch ein klein wenig für mich. Ich küsse tau¬
sendmal Deine Augen, Deine Stirne, Deine Hände.
Deine Cl.K.