Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 22. Oktober 1927


tend machte ist wo[h]l ein meilenweiter Unterschied.

Du findest es wünschenswert dass die O. dich besucht wenn sie in
Wien ist, – gut, – aber dann eben wie ein Gast den man fallweise gerne
spricht, bei dir zu Hause fühlen, müsste ich mich. Wäre dies der Fall
dann würde es mich auch nicht stören wenn du gelegentlich die Mutter
deiner Kinder bei dir siehst. Heute fühle ich mich fremd bei Dir mit
dir.

Hier sei es klar und deutlich gesagt, um allen Mis[s]verständnissen für
heut und immer vorzubeugen; der Gedanke an eine Ehe mit dir ist mir nie
gekommen, ist mir immer völlig fern gelegen und ist mir mindestens so
widerwärtig wie dir und ebenso ein dauerndes Zusammensein unter einem
Dach. Aber wenn ich dir weiter Freundin und Geliebte sein soll dann muss
mir unsre Beziehung endlich eine Art Heimath bedeuten eine Zuflucht aus allen Sor¬
gen und Kümmernissen des Lebens. Du musst mich eben so gerne bei dir
sehen wie ich dich bei mir. Ich gehe sehr gerne aus einer guten Stim¬
mung heraus mit dir aus,– ins Theater, ins Kino etc. aber wir sind bei
beide nicht jung genug, unser Zusammensein hauptsächlich darauf einzu¬
stellen. Und ein Zusammensein unter meinem oder deinem Dach darf auch
nicht wie bisher den Stempel eines festgelegten Programmes in sich tra¬
gen. Man kommet zusammen weil man sich lieb hat weiI man gerne zusammen
ist und lässt alle Möglichkeiten offen. -

Und an unseren Zusammenkünften dürfte sich eben nichts ändern, ob nun
deine Kinder oder deine geschiedene Frau wieder nach Wien kommen sollte
Du kannst dich ruhig auf meinen Takt verlassen, dass ich mich ganz von
selbst zurückziehen werde, wenn deine Kinder da sind, und nicht gera[de]
dann werde kommen wollen, wenn die O. angesagt ist.

Ich begreife auch sehr gut, dass du stille einsame Abende und auch
andere Menschen brauchst und ich möchte es für mich selbst ja auch nicht
anders. Ich glaube man sollte vor allem gut zu einander sein, dann
könnte noch alles gut werden.