Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 20.–21.5.1927

Semmering, 20.5.1927. Südbahnhotel.

An A.S., Wien.

ich war zur Erholung für ein[i]ge Tage auf dem
Semmering, wo mich A. besucht hatte.

Liebster,

es hat vor meiner Abfahrt entschieden mehr nach Sonne ausge¬
sehen als eben jetzt, wo wieder dicke schwarze Regenwolken über den
Bergen stehen. Ich bin ganz langsam Schritt für Schritt nach Hause ge¬
gangen. Es war mir doch leid um die 4 Schillinge für einen Wagen und
ich hatte das Bedürfnis noch ein wenig an der Luft zu sein. Nun sitze
ich in meinem Zimmer, in dem noch ein wenig von dem Duft Deiner Zigarre
ist. Ich werde jetzt, ohne mich umzukleiden, hinuntergehen, denn ich bin
müde und hungrig und diesen Brief will ich ohnedies erst morgen been¬
den und express absenden, bis ich weiss, ob ich schon morgen fahre oder
noch bleibe.

21.5.27.

Bei Sonnenschein und blauem Himmel erwacht. So fahre ich
keinesfalls heute nach Wien und alles Uebrige entscheidet Dein morgi¬
ger telefonischer Anruf.

Ich denke so; Hast Du Zeit und Lust, dann kommst Du Mon¬
tag Mittag herauf und wir fahren Dienstag mit dem ½7 Uhr-Zug zusammen
hinunter. Du sagest ja selbst, dass Du solche Ausflüge nicht gerne auf
länger aus[d]ehnst, also wozu von Dienstag auf Donnerstag? Die Frieda kann
Dir dann den Montag am Mittwoch einbringen und Du versäumst auch den
Donnerstag nicht. Aber bitte um Himmelswillen zwinge Dich zu gar nichts,
denn damit ist niemand geholfen. Heute ist es hier sehr schön, aber ob
es Dienstag auch noch schön sein wird? -Ich möchte nicht, dass Du wie¬
der einen Regentag erwischst. Und ist es schliesslich am Dienstag schön,
so kann es auch in Wien sehr schön sein – am Abend am Sommerheidenweg -
weisst Du noch? Es kommt ja nicht darauf an wo, sondern wie man zusammen
ist. Ich freue mich ja sehr, wenn Du noch heraufkommst, aber ich möchte
nicht noch 3½ Tage bis Dienstag Mittag allein sein. Du unterschätzt
glaube ich den Zustand meiner Nerven und ich brauche jetzt ein bischen
Nachsicht und Schonung. Glaube mir, ich nehme mich ohnedies mehr zusam¬