Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 28. April 1927

An A.S., Venedig.

Wien, 28.4.1927.

Mein Liebes,

heute bin ich noch ohne Nachricht von Dir, aber ich will
Dir doch noch rasch ein paar Zeilen schreiben, damit Du sie noch vor
Deiner Abreise erhältst.

Ich bin heute endlich aufgestanden. Diese 11 Tage, die
ich jetzt zu Bett war, haben mich viel mehr hergenommen, als die ersten
Anfälle. Ich sehe unbeschreiblich schlecht aus und bin ordentlich er¬
schrocken, als ich mich im grossen Spiegel erblickte. Ich habe noch
nie so ausgesehen und hoffe nur, dass ich mich bis Sonntag ein bisl
erhole, damit Du nicht gar zu entsetzt bist. Schliesslich esse ich
seit einer Woche nichts als in Salzwasser gekochtes und passiertes
Gemüse und fettlose Mehlspeisen. Da muss man abnehmen.

Heute rief mich wieder der unvermeidliche Byk an, um mich
für den 4. Mai zu einem Tee mit Gisela, Emy Sachs und Gretl Königswarter
zu laden. Ich sagte ihm, dass ich bei meinem Gesundheitszustand vor¬
läufig nichts bestimmen könne und so verlegte er das Fest auf eine
Woche später. Ich habe vorläufig und nachläufig wirklich andere Sorgen.
Gestern war ich wieder den ganzen Nachmittag und Abend allein. Heute
Nachmittag erwarte ich Frau Rabelbauer, mit der ich wohl zwei Stunden
zu tun haben werde. Wie ungeduldig ich den Sonntag und Dich herbeisehne,
brauche ich Dir wohl nicht erst zu sagen. Ich hoffe sehr, dass Du die
Wohnungsfrage in Venedig vor Deiner Abreise erledigt hast und diese
Sorge los bist.

Gute Fahrt, mein Lieber, und auf ein gutes Wiedersehen. Ich
küsse Dich sehr.

Deine C.K.