Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 27. April 1926

Zwischen Lissabon und Gran Canaria

Dampfer Adolf Woermann

27.4.1926.

Liebste, gestern also haben wir uns auf diesem Dampfer für Las
Palmas eingeschifft. Das Wetter klar, das Meer still, – aber es
bleibt kühl und auf dem Deck spazier ich im Ueberzieher auf und
ab. Das Schiff ist famos; – von einer fast unwahrscheinlich Blitz¬
sauberkeit; nebstbei überfüllt, – meist Deutsche; – es macht
(im Verlauf von etwa 3 Monaten) die Route um ganz Afrika, für die
eben nur ein Passagier eingestiegen ist. Man ist völlig auf deut¬
schen Boden – und alles strahlt Tüchtigkeit, Organisation, Entwick¬
lung aus.– Die Typen allerdings zum Theil aus dem Simplicissimus,
und es stört ein wenig, dass ein Viertel der Männer aussehen wie
Stresemann (vom Obersteward angefangen). Das Essen (man muss davon
sprechen) glänzend; – man bestellt was man will und beliebt es ei¬
nem, so kann man die ganze Speisekarte durchessen. Unsere Kajüten
allerdings stehen denen auf der Martha Washington nach; – kleine
Innenkabinen mit wenig Luft und künstlichem Licht (immerhin haben
die Koffer noch nothdürfig – offen gelassen – Platz). Die Gesell¬
schaftsräume viel besser als auf M. W. (ich sitze jetzt z.B. in ei¬
nem kleinen länglichen Schreibzimmer). Natürlich Musik (Quartett
mit Clavier) zu allen Tageszeiten; und Tanz am Abend. Sehr lärmend,
Dutzende Kinder; – überdies werden auf allen Verdecken die üblichen
Spiele (Ringwerfen etc.) gespielt; ich habe etwa 10 Partien ge¬
zählt.

Die 2. und 3. Classe ebenso nett wie die 1. (zum Unterschied von der
M. W. –, wo die andern Classen proletarisch waren). Die Bedienungs¬
mannschaft vortrefflich und durchaus deutsch; – die Officiere viel
unsichtbarer, gewaschener aber weniger interessant als auf der M. W. –
so weit sich das bei der Unsichtbarkeit beurtheilen lässt.–

Sonderbar zu denken, dass Du diesen Brief wohl frühestens in 10
Tagen bekommen wirst. Ich muss noch bemerken, dass uns Sonntag der