29.6.1924.
Guten Morgen, Liebster. Ich bin heute recht verstimmt und es fehlt
mir sehr, dass ich Dich nicht anrufen und erzählen kann.
Das Vorgehen der Neuen Freien Presse wird immer rätselhafter. Gestern
den 28. Früh erhielt ich einen Brief vom 26., der sich mit meiner
Unterredung mit Paul W., am Freitag den 27. gekreuzt hatte und
vor dieser, wie Du siehst abgegangen ist. »Sehr geehrte gnädige
Frau. Wie ich Ihnen bereits schrieb, sollen die Géraldy -Dich¬
tungen Sonntag erscheinen. Ich bitte also nochmals dringendst um das
durchgesehene Manuscript des langen Gedichts und um einige´andere
kleine Gedichte. Jedesfalls bitte ich keineswegs anderwärts darüber
zu verfügen und mir, wenn irgend möglich, damit wir noch etwa über
Kleinigkeiten sprechen können, morgen das Vergnügen Ihres Besuches zu
machen. Mit besten Grüssen Ihr ergebener P.W.« Den Inhalt und Resul¬
tat der Unterredung habe ich Dir bereits gestern berichtet. Gestern
Vormittag brachte mir bereits ein Bote die Bürstenabzüge. Es waren
nur winzige Korrekturen zu machen. Der Titel der Gedichte und mein
Name waren so klein gedruckt, dass ich dem Boten zeigte,dass sie das
erste Mal viel deutlicher waren und schrieb daneben fett drucken. Zur
Vorsicht rief ich um 4 die Druckerei an und Herrn Hajek, den mir
Dr. W. letzthin zu diesem Zweck angegeben hatte. Er sagte mir, er habe
die Korrekturen schon bekommen und meinte Titel und Namen des Ueber¬
setzers würden immer so gedruckt, worauf ich erwiderte, er soll es ganz
so machen, wie er es richtig finde. Er sagte mir dann noch, dass er
auch einen Roman von mir zu setzen habe und mir in den ersten Tagen
der Woche die ersten Korrekturbogen schicken wird. Die Gedichte
sind aber heute Früh nicht in der Neuen Freien Presse. Das ist
doch einfach unverständlich. Ich kann natürlich heute kaum jemand
telefonisch erreichen. Ich habe das Gefühl, dass da doch unbedingt
irgend eine geheimnisvolle Macht im Spiel ist, denn es ist doch nicht
zu verstehen dass Gedichte, die um 4 Uhr in der Druckerei sind,