Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 25.–30. September 1931


vor jedem Zusammensein und sehn mich doch danach.

27ten

Ge[s]tern Abend sagte mir A. er sei so ermattet, dass er meist liege,
er habe versucht um ½ 5 fortzugehen aber er sei gleich umgekehrt, fühle
sich am wolsten in der horizontalen Lage. Ich hatte aber zufällig um ½ 8
angerufen und Minna mir gesagt, er sei nicht zu Hause und es sei unbe¬
stimmt ob und wann er komme. Um 9 war er angeblich noch nicht da. Ich bat
Minna nichts von meinem Anruf zu sagen.

Den Vorschlag heute Vormittag mit mir spazieren zu gehen lehnte er wieder
kurz ab, und kam dann plötzlich 10 Minuten vor 1 Uhr unangemeldet und gieng
mit mir bis an das Ende der Strasse und zurück, wie um ein Pensum zu erle¬
digen. Erzählte mir, er werde demnächst allein auf den Semmering gehen,
nur auf 2 Tage. Ich blieb unentwegt sehr freundlich. Aber wenn ich allein
bin– – – –

28ten Gestern Abend mit Beer-Hofmanns zum Nachtmal bei A. So ist es noch
noch am Erträglichsten. Heute fühl ich mich grenzenlos elend. Von 6 Uhr an
war das Telefon bei A. ausgeschaltet– Ich könnte diese Person abfangen sie
stellen, aber ich tu es wegen A's Gesundheit nicht.

Paul H. nach vielen Jahren in der Stadt getroffen. Er war ordentlich ergrif¬
fen. Sagte: [»]Noch eben so jung und süss wie immer.« Ich weiss es ist nicht
wa[h]r aber es tut wol.

29ten. Abend meine Kinder und Donats zum Nachtmal, denen ich eine Revanche
für meine »Lebens-Rettung« schuldig bin. (dass ich nicht lache) A. kam
auch, obwol ich ihm sagte, ich lade ihn nicht ein, es stehe ihm frei,
und es bestehe gar keine Verpflichtung. Er machte einen sehr befangenen
Eindruck sah aber viel besser aus, wenn auch noch schlecht genug.

Heute trotz Kälte um 2 Uhr ein Gewitter.

30ten – In der Nacht von Lolo H. geträumt. Ach wenn der noch lebte, der
könnte mir helfen, der könnten auch richtig mit A. reden. Schlechtes Gespräch
mit A. telefonisch, obwol nur im Ton. Es wurde nichts gesprochen, was