Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. August 1931

Original im Bett geschrieben.

Tagebuch Montag 31. August.

Ich liege wieder zu Bett nachdem ich gestern schon bei A. drüben war.
Ein entsetzlicher Abend, denn ich konnte meine Haltung nicht bewa[h]ren.

Samstag war Dr D. bei mir und redete mir zu A. Freundschaft Frei¬
heit auf beiden Seiten, d. h. für A. und für mich ohne Rechenschaft ab¬
geben zu müssen- anzubieten, er verspreche sich sehr viel von dieser Be¬
reitwilligkeit, und ich glaubte oder hoffte innerlich dass A. nicht da¬
rauf eingehen wird. Gestern Sonntag ehe ich zum erstemmal aufstand
um zu A. hinüberzugehen telefonierte mir Dr. D. von seinem Onkel aus,
er sei mit meinem Vorschlag einverstanden und man erwarte mich zum Nacht¬
ma[h]l. Ich hätte nicht gehen sollen, aber die Pflegerin redete mir so zu
und ich wollte nicht in letzter Minute absagen. Aber als ich dort war
vermochte ich nicht A. die Hand zu reichen, entzog sie ihm bei der Be¬
grüssung und damit war die Stimmung des Abends erledigt. Fühlt denn A.
nicht welche Schmach es für mich ist dass er auf so eine Vereinbarung
scheinbar eingeht? Und was soll eine solche Beziehung – was soll sie seit
einem Jahr– –

Und dabei sieht er aus dass es einem das Herz zerreisst. Ich möcht gut
zu ihm sein trotz Allem aber er macht es einem unmöglich.

Und Freitag Abend (in der ersten Rührung offenbar) sass er an meinem Bett
wir hielten uns innig umschlungen nach langer langer Zeit und er schwor
bei Allem was ihm heilig ist (ohne dass ich etwas gefragt oder gesagt
hatte) Niemand stehe ihm näher als ich, ich verwechsle immer [U]rsache und
Wirkung (die Ursache sein Alter) etc er schwur dass er in die Cl. nie
verliebt war, selbst in der mehr als harmlosen Beziehung zur Vilma L.
seinerzeit sei noch eher ein Hauch von Erotik gewesen– –

Warum dieser Schutz seines Privat-Lebens wenn er so »alt« ist, was
fürchtet er? Ich weiss nicht was das Alles bedeuten soll, was man von
mir will ob Dr. D. mich nicht aus irgend einem mir noch nicht klaren
Grund hineinlegen wollte und sich ärgert dass es ihm nicht gelungen ist.
Denn er ist böse auf mich– –