Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, nach dem 26.8.1931

Von einem im Beit geschriebenem Zettel copiert.

Man hat mich ins Leben zurückgezerrt. Wozu? Damit ich noch elender werde.
Carry hat mir den Magen ausgepumpt, der arme Kerl. Nächstens muss ich es
schlauer machen. Als Dr. D. mich um acht Uhr Abends anrief (um nach mei¬
nem Gespräch mit A. zu fragen) sprach ich schon lallend. Ich hatte Angst mich
nicht zu melden damit nicht jemand besorgt herauseilt, aber D. hat doch et¬
was gemerkt und seine Frau allarmiert (telefonisch) die gleich herüber¬
lief ( sie wohnt ja in der Türkensch. Str.) und Carry, der gerade bei ihm
war (offenbar um über mich und A. zu beraten.) Ich öffnete Anny, die paar
Minuten später anläutete wenn auch taumelnd sonst hätte sie vielleich die
Polizei gerufen. Soweit vermochte ich noch zu denken. Sie
kam zu früh – ich hatte erst 2 Neodorm 9 Alomal und 3 Quadronox genommen.
das übrige entwand sie meinen Händen. Meine Gelenke sind schwarz davon.
Und dann kam Carry.

Ich lebe nur um noch elender zu werden. Ich bin zu gebrochen um noch etwas zu
unternehmen. Ich fange auch an, die Aufrichtigkeit des Dr. D. zubezweifeln.
Etwas stimmt auch da nicht. Ich bin schon kaum mehr fähig zu denken.

Gestern noch sass A. auf meinem Bett, schwur bei allem was ihm heilig ist
er sei in die Cl. nie verlieb[t] gewesen und liebe sie nicht, nichteinmal die ge¬
wöhnliche Polarität zwischen Mann und Frau existiere zwischen ihnen nicht
die Spur einer erotischen Atmosphäre – und heute kommt Dr. D. wieder zu mir und
behauptet A. wolle nur Freundschaft volle Freiheit und keinerlei Verpflichtung
eine Rechenschaft abzulegen. D. behauptet auch A. habe gesagt, wenn ich in
sein Privat-Leben einzugreifen versuchen sollte, bringt er sich um. Ja
wenn ihm das so wichtig ist, warum giebt er mich denn dann nicht auf –

Das Alles ist doch garnichtmehr zu verstehen. Warum hält man mich? Was will
man von mir? – Dr. D. sagt ich stehe A. am nächsten, er wolle nicht auf
mich verzichten und ich müsse in diesen Tagen gesehen haben was ich A. bedeu¬
te. A. sei krank und diese Conflikte richten ihn zu Grunde. Mein Gott wer
schafft sie denn? Das wissen endlich wissen.

Was bleibt mir übrig als kuschen. D. hat mir abgepresst, dass ich A. vorschla¬
gen soll, dass auch ich keine Rechenschaft mehr ablegen werden und tun kann,