Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 23.–25. Juni 1931


aufs Cobenzl hinaufgefahren, ein paar Schritte gegangen und in der Däm¬
merung eines wunderschönen Sommerabends gesessen. Er schlug mir
Cottagesanatorium oder Semmering Kurhaus vor, aber ich lehnte sanft
und freundlich ab. Ich entschliesse mich vorläufig zu nichts – - -

Heute Vormittag in der Stadt eine silberne Fischschüssel und Saucière
um 225 S. verkauft. Dann für Harry sehr schönen photographischen Ap¬
parat erstanden und noch verschiedene Kleinigkeiten, die er sich
wünscht. Der Juwelier hat mir nur den offiziellen Silberwert bezahlt.
Wenn ich ihm die Sachen dort gelassen hätte, versprach er mehr zu er¬
zielen, aber ich konnte nicht warten. Bin auch zu müde.–Nachmittag be¬
suchte mich Emmy Sachs, Abends soll ich mit A. auswärts nachtmahlen.
Mitleid, – damit ist mir nicht zu helfen!

24.6. Gestern Abend bei Strasser mässiges Essen und gedrückte Stim¬
mung, teilweise zu Fuss nachhause. Vor meinem Hause blieb er (¼ 11)
stehen, um der Musik im Park zu lauschen. Ich frug, ob er noch ein we¬
nig auf meiner Terrasse sitzen will. Aber er sagte: »Nein, ich geh
schlafen«.

Heute Vormittag Spital meinen Rücken röntgenisieren lassen, dabei
5 kirschengrosse Gallenstein auf einem Platz entdeckt. Herz durch¬
leuchtet. Organisch dabei angeblich nichts gefunden. Bei Else, der es
elend geht. Sie gab mir auf mein Drängen die Adresse ihrer Mutter.
Gespräche mit Cary, der um mich sehr besorgt scheint. Studentenkrawalle
gegen die Juden.

Nachmittag Emmy Erlangen unangesagt, Clara Hatvany angesagt. Dann
Dr. Selinger, der meine Nerven am Hund findet. Blutdruck 150,– rät zu
Gastein. A. ruft wiederholt an, wie es mir geht. Am Abend angeblich
Herrenabend bei ihm. Ich glaube es sogar

25.6. Elizabeth Bergner bei A. zu Tisch. Ich natürlich nicht gebeten,
haber mir ganz gleichgültig. Harry zu Tisch, wird bis zu seiner Abreise