Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 21. Juni 1931


Henry Abreise durchhalten, mein Verdacht gegen diese Frau verstärkt sich.
Eine Vormittag begonnene Unterredung soll am Abend fortgesetzt werden.
Ich sagte A., dass ich meinen Contrakt hier nicht erneuern, sondern fort
will, dass er wohl vorbereitet darauf gewesen sein muss, dass der Zustand
der letzten Monate sich nicht fortsetzen kann. Er sieht das vollkommen
ein, will aber absolut nicht auf mich verzichten etc. Immer dieselbe Ge¬
schichte. Ich soll mich umstellen, seine Freiheit respektieren. Ich sagte,
diese Umstellung versuchen wir seit einem Jahr und die Qual wird täglich
grösser. Obwohl ich eine Fortsetzung des Gespräches überflüssig fand, be¬
stand er darauf, dass ich um ½8 Uhr zu ihm hinüberkomme, um weiter zureden.
ich bin überzeugt, dass wenn man in einer solchen Stunde wie heute Vormit¬
tag nicht mehr das richtige Wort findet, man es nie mehr findet. Er redet
immer nur um die Details herum, die ihm wichtig sind. Ich sagte ihm, dass
mir ein Zusammensein mit Frau Clauser und ähnlichen Damen ganz gleich¬
gültig wäre (onne das Benehmen der Frau Clauser gut zu heissen), aber
sich müsste eben bei ihm Wärme, Geborgenheit, Heimat finden. Ist es ihm
eingefallen mir nach Caryz langer Krankheit zu sagen: Komm, mein Kind,
jetzt gehen wir ein bisschen fort, du musst dich erholen – oh nein! Und
jetzt, wo ich so herunter und elend bin, fragt er in der Früh: »Wie gehts?«
Oder: »Du solltest doch einen Arzt fragen«. Aber er denkt nicht daran,
dass er mit mir zu einem Arzt gehen könnte oder mir einen schicken
müsste. Er sagt: »Ich bin doch nicht verpflichtet dich immer einzuladen«.
Ich: »Nein. Aber dass du es als Verpflichtung und nicht als Freude em¬
pfindest, das ist eben der springende Punkt.« – Er: »Ich muss schon wieder
Angst, haben, weil demnächst der Verleger Maupray kommt und ich ihn mit
der Clauser zusammen einladen werde.« – Ich: »Es wäre natürlich (, wenn
unsere Beziehung eine gute wäre) gar kein Grund mich nicht dazu zu bitten,
aber du klammerst dich immer an Einzelheiten, die ganz unwichtig sind,
gegen das, um was es eigentlich geht.“ – Also, um 18 Uhr Fortsetzung. Wozu?