Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 18.–19. Juni 1931

Am Heimweg im Auto behauptete A., Heini hätte ihm auf seine die bezügli¬
che Anfrage vor ein paar Tagen erklärt, meine Anwesenheit sei ihm nicht
erwünscht. Ich fürchte, A. spricht die Unwahrheit. Er behauptet auch
nicht zu ahnen, wie Heini und Ruth miteinander stehen und gerade gestern
seit die Rechnung des Advokaten für die Scheidung gekommen. Ansonsten
war er den ganzen Abend unliebenswürdiger und fremder denn je. Heute
Früh Anruf wie immer, Frage nach meinem Befinden. Er geht am Abend noch¬
mals zu »Lear«, allein. Er riet mir Vormittag bei der Hitze nicht fort¬
zugehen. Seit zwei Tagen Hochsommerwetter.

Ich rief um ½11 Vormittag bei ihm an, um ihn noch zu ersuchen wegen der
Generalprobe keinesfalls etwas mit Heini zu bezprechen, wenn er nicht da¬
von anfängt. Aber A. war nicht zuhause. »Zum Friseur vielleicht«, meinte
Minna. Ich habe eben 12 Uhr wieder angerufen und da sich wieder Minna
meldete, legte ich das Hörrohr fort, ohne mich zu melden. Der leidende,
müde, alte Herr ist bei der Temperatur unterwegs. – Ich glaube nicht mehr,
dass er mich zu halten versuchen wird, wenn ich fortgehe.–Harry fährt
am 29. oder 30. mit der »Lacoronia« via Hamburg, bis dahin müssen meine
Nerven halten.

Als ich um ¾ 1 nochmals anrief, war Frieda am Telefon und sagte, der
Herr Doktor sei den Moment auf einen Sprung weggegangen, sie glaube,
zum Advokaten. Sie lügt, – aber was bleibt ihr schliesslich übrig?

Abend allein zuhause. A. nochmals bei »Lear«, weil Heini jetzt als
Narr im 3. Akt stirbt. Cary und Magdi sind auch im Theater.

19.6. Anruf A.'s vor 8 Uhr. Er holt mich zwischen ½ und ¾ 11 Uhr zur
Generalprobe ab, muss vorher zum »Friseur«, also war er gestern nicht
dort, oder geht heute nicht hin.

A. kam schon im Auto um ¾ 11 aus der Richtung seines Hauses, brachte
Rosen aus seinem Garten. Beim Volkstheater machte die Taxe fast
9 Schillinge aus, wo mag er vorher gewesen sein?