Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 16.–18. Juni 1931

Harry fährt entweder am 29. via Hamburg mit der »Lacoronia« oder 28.
via Triest mit der »Martha Washington«

16.6. Abend. Meine Depression nimmt von einer Stunde zur andern zu. Den
ganzen Nachmittag allein, unfähig zu lesen und zu arbeiten. Nach dem
Abendessen kurzer Spaziergang an seinem Haus vorbei. Lilis Zimmer und
die Küche beleuchtet, sonst alles finster. Vielleicht Unterredung mit
Ruth -? (die er angeblich haben soll). Die Luft ganz mild; die Linden
duften betäubend. Nie war mir so klar, dass dies der letzte Sommer
ist, den ich hier in dieser Gegend verbringe, vielleicht – die letzten
Wochen.

Und was wird aus mir werden? Wo werde ich sein – - -

17.6. Heute von ½10-½2 in der czechischen Passstelle wegen Passverlän¬
gerung – Menschenschinderei. Wenn Hedwig mir nicht einen Beamten mit¬
geben hätte, wäre ich zusammen gebrochen. Abend soll ich mit A. zum
»Traumexpress«. Wozu sind wolche Abend gut? Eben rief mich Dr. D. an
und sagte mir, er finde den Gesundheitszustand von A. objektiv und sub¬
jektiv bedeutend gebessert. Ich bin mehr froh darüber, aber in seinem
Verhalten zu mir hat sich das nicht ausgewirkt.

18.6. Gestern »Traumexpress«, sehr öde Operettenrevue, dann »Weingartl«.
wo wir mit Heini, Ruth und einem Schauspieler Böhm zufällig zusammen¬
trafen. Grotesk – und ich habe es eigentlich wirklich nicht nötig
sowas mitzumachen. Ich war sehr artig, Ruth und Heini fast beflissen.
Als wir aufbrachen frug mich Heini, ob ich morgen Freitag in seine Ge¬
neralprobe »Komparserie« komme. Ich antwortete, ich wusste nicht, dass
ich gewünscht werde. Er sagte: »Sie müssen wünschen.« – Ich darauf:
»Ich weiss nicht, ob es Ihren Vater recht ist.« -A. (zu Heini, verlegen):
»Ich dachte, es ist dir nicht angenehm.« -Heini: »Es wäre mir sehr angenehm.«
(lächelnd) "Sie schreiben doch nicht über Generalproben?" -Ich: (lä¬
chelnd) "Sie hätten es nicht zu fürchten, aber es ist gar nicht mein
Ressort".