Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 16. Juni 1931


Verpflichtung mich mit ihm zusammen einzuladen und wenn er sich auf
meinen Standpunkt stellen würde, wäre er ein Trottel. Grobheit und Ge¬
reiztheit in einem nicht zu rechtfertigenden Ton. Ich antwortete, ich
werde meine Ansicht deswegen nicht ändern und es sei eine Angelegenheit,
die nur zwischen mir und Trebitsch spiele und ihn weiter nichts angehe.¬
Traurig genug, dass es ihn nichts angeht.– Schliesslich hat Trebitsch schon
im Haus meiner Eltern verkehrt und ich war wiederholt in früheren Jahren
bei ihm und seiner Frau geladen, (sie ist mir seinerzeit direkt nachge¬
laufen). Heuer im Winter waren sie mit A. bei mir zum Thee und dann
noch dazu letzthin das Gespräch am Kohlmarkt.

Aus allem, was A. spricht, klingt nur die Absicht zu distanzieren, egal
ob es mir weh tut. Seine Einstellung, jedes seiner Worte ist
tausendmal kränkender als das Vorgehen dieses idiotischen Shaw-Ueber¬
setzers. Aber ich werde mich zwingen ein freundliches Gesicht zu machen,
wenn er mich zu Werfels holen kommt.

Dienstag, 16.6. Der gestrige Abend bei glücklichen Menschen in einem mär¬
chenhaften Haus. Ich trank ein wenig, um redselig zu bleiben. Hofrätin Z.,
die auch da war, ging bald nach dem Essen. Wir blieben zu Viert in einer
der Loggien. Alma war sehr zärtlich, trug mir das »Du« an, küsste mich.
(Ach, ich überschätze das nicht – aber in ihrer Unberechenbarkeit liegt
wohl ihre Macht). A. nicht einen Blick für mich. Auf der Heimfahrt be¬
kam ich wieder einen Weinkrampf. Er: »Warum weinst du?« – Ich: »Offenbar,
weil ich so glücklich bin«. -Er: »Ich kann doch nichts dafür, dass die so
schön wohnen«. – Ich: »Du weisst sehr gut, dass es nicht das Haus ist, um das
ich sie beneide.« – Er: (verlegen) »Ich weiss schon, dass du nicht das Haus
meinst«. – Wir waren vor meiner Tür angelangt und ich trat rasch ein.

Heute Vormittag bei der Krankenkassa des XIX. Bezirks wegen Else und sehr
elend nach Hause gekommen. Druck im Herzen. Heutige Gespräche mit A. kühl
und gequält.