Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12.–14. Juni 1931


Hände, Arme und besonders Beine unmöglich. Ich habe nie so dicke, schlecht¬
rassige Beine bei einer jungen, sonst so gut ausstehenden Frau ge¬
sehen. Ich war die Einzige in Schwarz, da ich ausser diesem Abendkleid
(Geschenk von Hedwig) nichts besitze. Ich hatte das Gefühl ramponiert aus¬
zuschauen. A. behauptete heute das Gegenteil. Wenn – dann – war es Kunst.
Eine Stunde mein Gesicht bearbeitet. – Schwüles Wetter und tägliches Gewit¬
ter.

13.6. Gestern Abend Anna bei mir. Sie demütig, meinen Spötteleien gegen¬
über, behauptet, der Welt wäre nur zu helfen, wenn alle Menschen einander lie¬
ben würden. Ich sagte, das seien nur Worte, die nicht einmal Christus was
genützt haben. Der Augenblick wird nie kommen, auch wenn er die Welt vor
dem Bolschewismus retten könnte. Mittag war ein furchtbares Gewitter und
heute zieht es sich auch bedrohlich zusammen. Auch die Gerüchte, die durch
die Stadt schwirren, sind düster.

14.6. Gestern Abend mit A. im Kino (Salto mortale). Endlich ein guter Film.
A. kam in scheinbar besserer Stimmung und berichtete,Ruth sei plötzlich
aufgetaucht und drüben gewesen. Er wisse eigentlich nicht, was sie wolle,
da die gerichtliche Scheidung vollzogen ist. Ich verstehe natürlich nicht,
wozu er sie empfangen hat. Aber das geht mich Gottlob nichts an. Beim
Abendessen, bei dem er auch etwas gesprächiger war, frug er mich plötzlich,
was ich im Sommer tun werde. Und auf meine Antwort, dass ich vorläufig
keinerlei Plan hätte, meinte er, ich soll doch irgendwo hingehen, er werde
mir dann nachkommen. Ich sagte mehr dezidiert: »Nein!«. Ich lasse mich
heuer nicht wegschicken, er müsse fühlen, dass zur Besserung unserer Bezie¬
hung von ihm aus etwas geschehen müsste und wenn das nicht der Fall sein
wird, dann werde ich eben entsprechende Entschlüsse fassen. Es habe aber
keinen Sinn darüber irritante Gespräche zu führen. Wir waren dabei ganz
liebenswürdig und ruhig. Im Wagen sagte er, er könne nicht leicht in ein
Hotel wegen seines Magens und wisse überhaupt nicht, wohin man gehen könnte.
Ich meinte, ein Ort und ein Hotel werden sich schon finden lassen, er wisse