Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 9.–12. Juni 1931

Eine grässliche alte Köchin als Aushilfe bei mir. Meine Nerven ertragen
dieses Gespenst kaum. Aber in der Nacht ganz allein im Haus ist auch schwer.
Gegen Abend unangesagter Besuch von Magda Klein. Dann noch kurzer einsamer
Spaziergang und zeitlich zu Bett.

10.6. Heute Vormittag in der Stadt, wollte ein Kleid für den Abend bei Clau-
ser besorgen, aber meine Verstimmung, die Verdüsterung zu gross. Im Spital
Else besuchen, deren Zustand ernst zu sein scheint. Es geht mir nah. Und
überhaupt so ein Spitalzimmer mit den vielen armen Kranken, die nicht ein¬
mal Ruhe haben.-

11.6. Gestern wieder ein entsetzlicher Abend. Erst Anruf Harrys, der nun mit
Sicherheit nach Südamerika fährt. Seine Besprechungen mit der Firma wegen
Abfindungsbetrag erledigt. Er ist eben doch mein Kind und wer weiss, ob
ich ihn je wiedersehe.–Dann mit A. – Trotzdem ich ihm von Harry erzählte
und er meine Stimmung sah, kühle Konversation wie immer. Nach dem Kino
(elender Film »Susi macht Ordnung«) im Hof des Deutschen Hauses genacht¬
mahlt. Als er nach dem zweiten Glas Bier noch einen Kirsch bestellte, wagte
ich freundlich ihn darauf aufmerksam zu machen, dass das vielleicht zu viel ist,
worauf er mir brüsk antworte, ob er sich vielleicht verteidigen soll, wenn
er ein zweites Glas trinkt. Ich sagte nichts mehr. Entweder er ist ver¬
rückt oder er soll sich schämen. Tu ich es denn für mich, wenn ich ihn von
etwas Schädlichem abhalten will oder aus Bosheit? Mein Gott, wie soll das
alles enden! – Heute Macht arge Herz- und Magen-Darm-Beschwerden. Mittag Carry –
Magda, die einzige Erholung.

12.6. Abend bei Clauser. Hatte etwas Gekünsteltes. Uebrigens fuhr ich mit
A. und Heini, der nach paar Minuten nach seinem Vater mich holen kam (so
eine Art Besuch) hin und auch wieder zurück. Wie hätte mich das noch vor
2 Jahren gefreut! Jetzt – –! Dort unaufrichtige Atmosphäre. Das Essen war
zu üppig für die kleine Wohnung. Elsa Guttmann, Tochter meiner Jugendfreundin
Mimsch, sehr sympathisch. Frau Clauser mehr angestrengt liebenswürdig, ein
Schauspielerehepaar Meutel aus Zürich, mehr dekorativ als angenehm, sie sehr
ungarisch. Frau Clauser hat ja ein hübsches Porzellangesicht, aber