Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 6.–9. Juni 1931


forcierte Liebenswürdigkeit. Später während Heini Klavier spielte wurde
mir plötzlich vom Herzen ausgehend sehr schlecht, hatte das Gefühl vom
Sessel zu fallen und furchtbare Herzklopfen. Minna brachte mir Wasser
und begleitete mich nachhause.

Heute Vormittag am Friedhof. Sterbetag meines Vaters. Dann im Spital
Else besuchen. Diffuse Bronchitis, aber man weiss noch nicht, was dahinter
steckt. Sprach auch Carry. – Am Abend Lear mit Bassermann und Heini
als Naar.

7.6. Gestriger Abend für Heini glaub ich sehr günstig. A. gegen mich von
unbeschreiblicher Kälte und Gleichgültigkeit. Clauser im Haus, die mich
sehr kurz und spitz grüsste (Ferry Donath sagte, »das war kein Gruss, son¬
dern ein Nickerchen«). Sie sah elend aus. Nachher mit Donaths (die mit uns
in der Loge waren) und Familie Julius S. in Imperial. Ich sprach recht
viel.

8.6. Gestern Mittag bei A. mit Heini und dem alten Schwarzkopf. Es war
nicht sehr heiter, trotzdem ich sehr gesprächig war. Abend mit A. im Kino.
»Der General« mit Veidt und Tschechowa. Recht guter Film. Nachher im Hof
vom Deutschen Haus gemachtmahlt und zum Schluss wieder Pathephonkonzert.
Auf der Heimfahrt bekam ich einen Weinkrampf, den A. einfach ignorierte.
Diese Abende machen mich krank. Unaufrichtigkeit, Lüge, Kälte zwischen uns.
Heute Abend will er zu Hagenbeck gehen, obwohl ich ihm direkt sagte, es
hätte nur einen Sinn, wenn er Wert darauf legt. Ich brauche diese Abende
nicht mehr.

Nach Tisch recht rasch abklingende Gallenschmerzen, die ich durch Papeverin
koupierte. Harrys Plan nach Südamerika zu geben gewinnt festere Formen -.

9.6. Gestern Hagenbeck-Vorstellung. Gut aber zu lang, besonders, da ich
mich nicht sehr wohl fühlte und sehr fror. Das Wetter seit Tagen unsicher,
regnerisch.

Heute Einladung von Frau Glauser für Donnerstag Abend. Ich habe mein
Kommen von meinem Befinden abhängig gemacht.