Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 2.–6. Juni 1931

– Ach, mir ist übel, übel. Ich muss mit Carry sprechen. Mein Gott, schicke
mir eine Erleuchtung.

3.6. Anruf A. in der Früh. Die Gesellschaft hätte, da das Wetter so schlecht
war, bei ihm genachtmahlt. Ich antwortete, es sei nie etwas anderes bestimmt
gewesen, da man schon um 10 Uhr Früh, während er mir von der Ueberlandfahrt
erzählte, die Krebse für den Abend abgesotten hat. »Ich finde diese Unwahr¬
heiten deiner und meiner mehr als unwürdig, aber ich gedenke nicht mehr über
das ganze Vorgehen zu sprechen«. Dann belanglose Konversation.

Gott, wenn der Mann gesund wäre wüsste ich, was ich zu tun hätte. So aber bin
ich machtlos.

Abend mit Beer-Hofmann von trostloser Langweile, die durch A.'s ganzes We¬
sen veranlasst. Er gähnte laut. Ich lade nicht mehr ein.

4.6. A. entschuldigte sich heute Früh wegen seines gestrigen Benehmens
mit seinem besonderen Unbehagen. Ich rief wieder Dr. D. an, der ihn übri¬
gens gestern untersucht hat und ihn angeblich besser findet. A. holte
mich um ½12 trotz trüben Wetters, da er abends wieder nicht frei ist. Angeb¬
lich Collegen von Heini zum Nachtmahl. Wir fuhren auf den Cohenzl und
gingen zu Fuss herunter. Er frug nicht einmal, was ich heute noch tue (Frohn¬
leichnam). Konversation über Theater. – Ich lag fast den ganzen Nachmittag
am Divan. Wieder ein Tag um. Es wird doch nicht mehr lang so weiter gehen.
5.6. Gestern sehr einsam. Else erkrankt. Musste sie unter grossen Schwie¬
rigkeiten im Wiedner Krankenhaus unterbringen. Nur durch Carry möglich
gewesen (Diffuse Bronchitis). Jetzt bin ich ganz allein.

A. erzählte mir heute Früh telefonisch, es sei gestern »ein lustiges Völk¬
chen« bei ihm gewesen, Schauspieler und Schauspielerinnen. Er war bis gegen
1 Uhr auf, der müde alte Mann!! Ich traf A. später in der Stadt ganz zu¬
fällig am Kohlmarkt. Ich soll Abend bei ihm essen. Wir begegneten zusammen
Siegfried Trebitsch.

6.6. Gestern Abend bei A. Nur Heini anwesend. Forcierte Gespräche und