Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 16.–19. Mai 1931

16.5.1931.

Wieder Anruf A. genau so kühl, belanglos. Er kommt morgen Sonntag ohne
Angabe der Stunde und ich soll mich in keiner Weise binden, über die Zeit
verfügen.– Ich habe das Gefühl, dass er schon heute zurück sein wird und den
Abend für sich haben will. Habe mir für Abend Emmy R. eingeladen, mein Garten
ist voll Flieder und Duft, aber wie traurig ist das alles – und wie empfin¬
det man doppelt diese schreckliche Einsamkeit.

Vormittag die Polster, die ich ihm zum Geburtstag schenke, hinübergetragen
und einen Rhododendronstock hingeschickt.

17.5. Mit Emmy gestern etwas einhörige Konversation, ich war innerlich zu
elend, um anregend zu sein, wollte eigentlich um ¾ 11 Uhr Nacht, als
sie fort war, noch bei A. versuchsweise anrufen, unterdrückte es aber, um
mich nicht aufzuregen. Heute um ¼ 9 Uhr Früh rief er mich an. Er war
richtig schon gestern Abend da. Warum, wozu? Ich frage nicht.

Er kam um 12 Uhr Vormittag herüber, fand mich sehr gut aussehend. Das
findet er immer, wenn er ein schlechtes Gewissen hat. Kühle Begrüssung,
dann in etwas freundlicherer Stimmung kurze Spazierfahrt auf den Kobenzl.
Die Clauser kommt angeblich Nachmittag zu ihm, ich weiss nicht, ob er sie
nicht zu Tisch gebeten hat. Beweise fehlen mir, – was weiss ich überhaupt?
Und niemand hilft mir. Am Abend mit ihm im Kino (»Voruntersuchung«), wie
immer jetzt solche Abende zu Zweit unerträglich. Er sitzt neben mir,
starrt an mir vorbei, kein liebes Wort kommt über seine Lippen, von Zärt¬
lichkeit gar nicht zu reden. Dabei war ich bis zur letzten halben Stunde
ausgesprochen heiter, dann versagte meine Kraft und ich wurde still und
ging sobald als möglich. Reden darüber kann man nicht mehr.

Donnerstag soll Heini kommen, die Scheidung von Ruth ist schon vollzogene
Tatsache.

19.5. Gestern Abend Josefstädtertheater bei »Das schwache Geschlecht«,
ekliger Schund. Dann mit Direktor Geyer soupiert. Es ist schon eine Wohl¬
tat, wenn man nicht allein ist. Gespräche über Aufführung von »Weites
Land«, »Liebelei« und »Leutnant Gustl« für nächstes Jahr. Ich versuchte