Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 10.–14. Mai 1931

Sonntag, 10.5. Ganzen Tag allein mit Schmerzen und Unbehagen. Ich fühle,
dass ich krank bin. Am Abend mit A. bei David Golder (guter Film,
besser als der Roman). Dann mit Dr. D. und Anny bei A. genachtmahlt.
Auch am Heimweg mit Dr. D. kein Wort über A. gesprochen. A. erwähnte
wieder, dass er für ein paar Tage, 2-3, auf den Semmering will, voraus¬
sichtlich Dienstag.

11.5. mein Befinden immer schlechter. Ab ½5 Uhr Früh zwei Stunden Darm¬
zustände, dann Bewerung, resp. Stillstand. Dasselbe nach
Tisch. Ich schleppe mich Vormittag zum Friseur da Abend Gesellschaft
bei A. ist. Nachmittag lang hinausgeschobener Besuch bei Baronin Gutt¬
mann (eher fad). Dann holen mich Hermine P. und Tochter,bringen mich
per Auto nachhause. Ich klapperte vor Kälte. Abend bei A. Recht unge¬
mütlich, wie immer wenn Jakob W. und Gattin da sind. Ausser ihnen
Egon und Emmy R, Gerty Hofmannsthal.

Die Minna stellte komischerweise den schwarzen Kaffee vor die Martha
W. und die entschuldigte sich sehr taktlos bei mir, sie sei daran un¬
schuldig, anstatt einfach dieses Amt, das ihr nicht zukam, abzulehnen.
Nach Tisch kam sie nochmals zu mir, um ihre Unschuld an diesem »faut
pas« zu beteuern und unterstrich dadurch noch mehr, dass man sich
schlecht gegen mich benimmt. Aber ich sagte, es sei ganz belanglos.

12.5. Heute Früh sagte mir A. am Telefon, dass er erst am Mittwoch auf
den Semmering fährt und über seinen Geburtstag fort bleibt. Ich ahnte,
dass er aus diesem Grund die Reise hinausschiebt. Mich wundert nichts
mehr. Er nahm mich Vormittag in die Stadt bis zur Creditanstalt mit,
wo eine Art Run war, weil die Zeitungen heute unerwartet die staatliche
Stützungsaktion dieses Institutes melden. Nichts steht mehr fest.
Mittag bei Anna, dann Ordination beim alten Bloch, da ich mich zu elend
fühle. Strenge Diät. Abend Otto und Emma bei mir, liebe Menschen, beson¬
ders Otto. Welch ein Unterschied an Duldsamkeit und Güte.

14.5. Gestern Vormittag wegen elendem Befinden zuhause in der Sonne