Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 7.–9. Mai 1931

[V]orm. Besuch von Frau Dr. Reik. Mittag Fredi, dessen 6 Bilder im Ha¬
genbund angenommen sind. Schönes Wetter. A. nur belangloses Telefon¬
gespräch, mein Befinden miserabel.

8.5. Es ist kein Zweifel, ich habe wieder den Dickdarmkatarrh vom
letzten Sommer und unentwegt Schmerzen in der Gallengegend. Aber ich
bin schon so herunter, dass ich nicht mehr viel aushalten werde. Mein
Gewicht nur mehr 54.35 in stärkerer Kleidung als im Vorjahr. Traf A.
in der Stadt, der behauptete auf den Graben gekommen zu sein, um mich
zu treffen. Nachher traf ich wie verabredet Frieda, um ihr bei der Wahl
einer Blouse behilflich zu sein. Habe ich übrigens gestern Nachmittag
nach langer Zeit Biographie diktiert. Kein Wort über A. Ich bin über¬
zeugt, dass sie durch A. völlig über alles orientiert ist und Schweig¬
gebot hat.

9.5. Gestern Abend Kino »Kaiin« und dann nach langer Zeit »Linie« ge¬
nachtmahlt. Stille und Müdigkeit. Nachher auf seinen Wunsch noch
im Pathephon Musik zugehört. Ich hatte Schmerzen und war froh, als
ich zuhause war. Heute Vormittag Stadt, Marfeld, Leitner, Egon Pollak
(Bodenkredit) und Paula Beer-Hofmann getroffen. Paula mir viel Liebes
über meine Novelle »Mütter« gesagt. Es wird wohl das Letzte sein, was
ich geschrieben habe, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je wie¬
der richtig arbeiten werde.

Mittag Harry. Heute weniger unausstehlich. Nachmittag bei Hagenbund¬
eröffnung. Fredi 6 Bilder, unter denen mir der »Mann mit der Pelzmütze«
und der »Kellner« am liebsten sind. Um 7 Uhr rief A. an, ob ich nicht
mit ihm ins Kino will. Ich war zwar eher müde, wollte aber nicht Nein
sagen. Kriegsfilm mit Buster Keaton. Teilweise lustig, aber gleich¬
zeitig blasphemisch. Dann gleich nachhause und zu Bett. Elend geschla¬
fen, ab ½5 Uhr Früh Schmerzen. Wetter gestern regnerisch, heute windig,
kühl, unsicher, welch ein Frühjahr!