Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 4.–6. Mai 1931


mit Schnittling essen kann, fühlt man sich nicht schlecht.

Dr. D. sagte mir auch gestern »sein Verhalten gegen Sie hat mit seinem
Gesundheitszustand nichts zu tun.« Ich habe allerdings manchmal das
Gefühl, dass er nicht mehr normal ist.

Heute Vorm. Stadt. Nachmittag nach zwei Jahren Puthon bei mir. Wir
plauschten zwei Stunden. Er hat eine Wärme und Herzlichkeit, die A. nie
aufbringt. Ich erzählte A. natürlich, dass er da war, als er mich um 8
Uhr anrief, nur um über Filmangelegenheiten zu referieren. Bin heute
viel in der Sonne gesessen.

5.5. Vorm. Stadt. Abends sollen wir zu »Bumberry« mit Adele Sandrock
als Gast gehen.

Abend. Stück recht amusant, aber nachher – - Es wird immer qualvoller.

6.5. Ich habe heute etwas Schreckliches getan. Ich gäbe viel darum,
wenn ich es ungeschehen machen könnte. A. sagte gestern Abend wieder:
»Ich ruf erst Nachmittag an«. In meinem Misstrauen ging ich um 10
Uhr fort, die Türkenschanzstrasse hinunter. Von der Ecke aus sah ich
ein Taxi vor seinem Haus stehen. Ich warte fünf Minuten. Da
kommt ein weibliches Wesen aus dem Haus, steigt ein, fährt fort. Ich kann
aus der Entfernung ihre Züge nicht sehen, aber ich weiss nicht mehr, was
ich tue. Ich läute an seiner Türe. Trotzdem Minna meint, der Herr Doktor
sei noch nicht angekleidet, verlange ich zu ihm. Er empfängt mich im
Schlafrock über dem Nachthend, da ich dicht hinter Minna sein Zimmer
betrete. Verlegen-erstauntes Gesicht: »Du? Wieso?« – Ich sage nur:
»Ich möchte nur wissen, wer die Person ist, die Dich eben verlassen hat«
und breche zusammen. Zwei Stunden Szenen.

Ich habe mich zu tief erniedrigt, als dass er oder ich es vergessen
könnten. Er schwor bei allem, was ihm heilig ist, »die Masseurin« und
sie habe sich das Auto kommen lassen, um in einen andern Bezirk zu fah¬
ren. Ich sagte, ich weiss, daß ich mich unwürdig benommen habe, dass ich