Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 2.–4. Mai 1931


will Nachmittag zu Wellesz und bin um 7 Uhr bei Dr. D. angesagt.
Eben von Dr. D., der mich sehr bedauert. Ich sol[l] A. einfach als einen
verschrullten alten Mann betrachten. Das ist leicht gesagt. Dann rät
er mir wieder für einige Zeit fortzugehen. Ich sagte: Nein! Die
Verschlechter[u]ng und Trostlosigkeit ist nur durch die vorjährige
sechswöchentliche Trennung gekommen. Wenn ich gehe, – dann eben auf
immer. Er (Dr. D.) behauptet, dass diese viertägige Trennung schon eine
Klugheit von mir gewesen sei und sicher von guter Wirkung

Morgen soll A. anrufen, vederemo!

Nachmittag bei Wellesz, mich physisch wenig wohl gefühlt.

3.5. Heute Früh Anruf A. Recht freundlich, will mich um 11 zum Spazie¬
renfahren holen. Dr. D. hat ihn gestern noch angerufen (ich hatte es
ihm verboten) und sehr nett von mir gesprochen, er will mir darüber
mündlich erzählen.

3.5. Abend. Der heutige Tag schlimmer denn je. Nach herzlicher (schon
zu viel gesagt), freundlicher Begrüssung Spazierfahrt mit Konversation.
Abend Theater »Hauptmann von Köpenick« (interessantes Stück, Thaller
ergreifend), dann Hotel Krantz Majolika-Saal. A. eisig, stumm, unausge¬
setzt gereizt, trotz meiner Bemühungen ein Gespräch aufrecht zu erhal¬
ten, bis ich ihm sage, ich werde morgen wieder nicht vorhanden sein.
Dann lenkt er mühsam ein. Wir fahren stumm und steif wie immer nach
Haus. Vor dem Haustor sagt er: »Ich ruf erst morgen Nachmittag an.«
Ich sage: »Gut, schlaf wohl.«

Und jetzt sitze ich da und weine, und weiss mir nicht zu helfen. Nur
fort – fort.

4.5. A. rief schon um 8 Uhr Früh an. Ich soll sein gestriges Benehmen
verzeihen, er sei so reizbar. Ich antwortete sehr freundlich: »Wenn
du das einsiehst, brauchen wir nicht mehr darüber reden.« Er meinte,
es käme von physischen Unbehagen. Ich glaube das nicht, wenn ich auch
erwiderte. Wenn man Rindsgyulasch, darauf Gansleber und Butterbrot