Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 26.–29. April 1931


anderes übrig?

27.4. A. mich in der Früh eher brummig angerufen. Dr. D. sagte mir
gestern am Heimweg (Anny war dabei), A. sei sehr nervös und neurasthe¬
nisch, fühle sich sonst aber sehr wohl. Er habe ihm geraten für ein
paar Tage fortzugehen, auf den Semmering etwa, ich ahne nicht
ob mit oder ohne mich.

Heute Mittag die Kinder und Trude Bien zu Tisch, die sich während
Carrys Krankheit fabelhaft bernommen hat. Abend allein.

28.4. Heute Abend mit A. bei Ronacher. Fades Programm und ich fühlte
mich physisch und seelisch nicht wohl. Dann Hotel Krantz (Majolika-
Saal). Ich machte krampfhaft Konversation. A. sichtlich verlegen.
Endlich frage ich, da er immer von seiner »Erschöpfung« spricht, was
Ferry ihm eigentlich verordnet hat. A.: »Er hat an Gastein gedacht,
aber ich denke nicht daran, werde nur vielleicht für ein paar Tage al¬
lein fortgehen.« – ich sage nichts als »so« und spreche weiter weder
verstimmt noch in einem andern Ton als bisher. Aber sein schlechtes
Gewissen lässt ihm keine Ruh. Im Wagen geht es los; es sei kein
Grund verstimmt zu sein, weil er vielleicht für ein paar Tage auf den
Semmering gehe etc. Er quält mich so lange, bis ich losbreche. Jeder
Mensch frage mich, ob er nicht mit mir eine kleine Reise machen würde,
wo ich so elend aussehe und Frieda hat mir vor Wochen gesagt, dass
er diese Absicht hat. Er leugnet. Ich empfinde das Elend unserer Be¬
ziehung nicht um ein Atom stärker seit er mir diese Mitteilung gemacht
hat als vorher. Er: »Es ist doch keine schlimme Absicht dabei.« Ich:
»Es genügt wohl nicht, dass du nach diesem Jahr, das hinter mir liegt,
nichts gegen mich Gerichtetes tust, du hättest eben etwas für mich
tun müssen. Du bist entweder nicht normal oder bösartig.«

29.4. Quälende telefonische Gespräche ohne Resultat. Mittag die Kin¬
der noch zu Tisch, die morgen abreisen. Nachm. bei Hedwig, Abend allein.