Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 27. Februar – 5. März 1931


kaum ein Wort mit mir gesprochen. Das Ende naht.

28.2. A. auf einen Sprung bei mir. Geht zu Tisch (trotz Diktiertag) zu
Julius, weil Lili Krauss dort ist. Am Abend ins Konzert Lili Krauss.
Im Industriehaus wird mein Gedicht »Wissen um den Tod« aufgeführt -
ich habe Harry gebeten hinzugehen, damit es doch jemand hört. Meine
Temperatur 37.4, meine Verfassung – - -

1. März. Bei A. zu Tisch mit Benedikt, Hofrätin Z., Gerty Hofmannsthal.
Ich war etwas taumelig auf meinen Füssen und durch viel Alkohol
geistig wenigstens frisch. Trotzdem glaube ich, dass die Hofrätin bemerkt
hat, dass A. und ich anders zueinander stehen.

2. März. Hochzeitstag meiner Eltern. Sturm und etwas Sonnenschein. Schlecht
geschlafen. Räume und ordne, um nicht zu denken und denke doch.

3.3. Bei Carry im Spital gewesen, erst jetzt erfahren, dass man ein
Abszess an der Rippe geöffnet hat (in Narkose). Man hat es mir verheim¬
licht, da ich mit Grippe doch nicht zu ihm hätte dürfen. Er ist gottlob
fieberfrei und fidel. Nachher mit A. in einem langweiligen Film und
jeder für sich nachhause. Heute sollen wir in die Oper (Opernball) und
ich will auch nachher zu mir nachhause, das Zusammensein ist zur Qual
geworden.

4.3. Der gestrige Abend war schrecklich langeilig. Wir haben keine
zehn Worte miteinander gesprochen und die Oper war auch öd. Nein, ich
mag nicht mehr. Bei Carry, den es gut geht. Heute Besuch bei Frau Clau¬
ser, die etwas leidend ist, dann zu Cary. Nachher will ich nachhaus.

Abend Carry Temperaturerhöhung, ich bin besorgt.

5.3. Carry Fieber. Nachmittag 39.5. Niemand weiss woher. Vielleicht eine
metastatische Bildung eines neuen Abszesses, vielleicht Grippe. Habe
noch eh ich es wusste jedes Zuzammensein mit A. abgelehnt. Von 2-7
bei Carry. Man darf nicht über Nacht im Spital bleiben. Es gibt Schlaf¬
mittel.