Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 12.–13. Januar 1931

A. gestern Abend bei mir. (improvisiert) Er brachte etwas kaltes Fleisch
mit ich kochte Eier. Ich hatte den ganzen N. M. "»Kathrin wird Soldat[«] gele¬
sen (von Adrienne Thomas) und erschüttert von diesem ausserordentlichen
Kriegsbuch sprachen wir viel von Kriegserinnerungen und von Kinderzeiten.
Später spielte das Radio. Er sass mit geschlossenen Augen ganz verfallen da.
Der Tisch war zwischen uns, ich traute mich nicht zu ihm hinüber, meiner
Erkältung wegen, ich hätte gerne wenigstens seine Hand gestreichelt, sie in
der meinen gehalten.

Heute Früh 9 °R. Kälte-aber Sonnenschein. Ich gieng um 12 für paar Minuten
an die Luft.

13ten Gestern N. M. wieder 37.4 Temperatur ohne eigentliche Zeichen von
Erkältung. Eher Schmerzen in der Gallen-Gegend. N. M. Besuch von Tante
Clara. Sie ist recht gealtert. Und dabei so heiter und gut und beweglich.
Wenn ich einmal so weit sein werde (wenn ich soweit komme) rühre ich mich
nicht vom warmen Ofen weg und warte auf den Tod.

Später Egon Wellesz an Stelle von Emmy, die sich beim Schee- Laufen den
Fuss verletzt hat. Wir plauschten eine Stunde über Kunst (im Allgemeinen)
und hauptsächlich über unsere Kinder die für 6 Tage nach Puchenstuben sind.
Egon würde sie gerne »fescher« sehn, ich finde die Hauptsache ist, dass
sie sich lieb haben.

Versuchte dann A. abzutelefonieren, da ich mich sehr erschöpft fühlte u.
zu Bett wollte, aber er kam doch und sass eine weile bei mir. Er sagte dass
er sich frischer fühle, aber ich finde sein Aussehen elend.

Heute Früh eine blödsinige Mitteilung in der N. Fr. Presse, die mir fast
Übelkeiten verursachte; die première des Gang zum Weiher, mit der das
Burgtheater eine Ehrenschuld bezahle, da die frühere Direktion sich zu
der Aufführung nicht entschliessen konnte. Und in Theaterkreisen verlaute,
Frau Wohlgemut wolle ihre Rolle zurückweisen, man hoffe aber u. s. w.

Da müht und plagt man sich diesem Mann alles aus den Weg zu räumen, löscht
sich völlig aus um ihn durch nichts zu irritieren und dann kommen solche
Dreck-Menschen mit ihren kleinen schäbigen journalistischen Intriguen.