Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 27.–31. Dezember 1930


Roman von der Clauser gelesen. Eine recht hübsch geschriebene, echt
französische Liebesgeschichte, stellenweise zu sentimental, aber
gleichzeitig eine recht durchsichtige Lebensgeschichte. Entweder
diese Ehe ist nicht mehr gut oder sie wird durch diesen Roman in
Brüche gehen, wenn der Mann ihn liest. Im Ganzen eine unbeträchtli¬
che Arbeit.

28.12.30. Abend mit A. im Kino. Madame sucht Anschluss. »Meis[s]l« ge¬
nachtmahlt. Er wollte bei sich zuhause essen, aber ich meinte, es sei
vielleicht bequemer im Restaurant.

29.12.30. Mit A. bei »Brotverdiener« von Maugham. Kluges, gutes
Stück. Sehr gut gespielt (Josefstädtertheater) dann mit Ehepaar
Trebitsch im »Weissen Hahn« genachtmahlt. Direktor Geyer an unserm
Tisch. Heimfahrt wie immer, kühl, freundlich, fast herzlich, ohne
die geringste Zärtlichkeit.

Nachmittag Tee bei Else v. G., viel mit Prof. Seligmann gesprochen.

30.12.30. Tedy, Emmy v. Tolnay, Frau Schmutzer, Lotte Menasse bei mir
zum Thee. Ganz nett. Abend allein zuhause. Das alte Jahr geht sei¬
nem Ende entgegen, – ich möchte nicht nachdenken.

Vormittag A. zufällig in der Stadt getroffen, der mich mit meinen
zahllosen Packerln in ein Auto setzte. Wetter furchtbar kalt.

31.12.30. Vormittag in der Stadt. Mittag Harry, Cary, Magdi. Gemütli¬
ches Zusammensein. Harry sehr komisch. Am Abend gehe ich zu A., wo
Frieda und Bruder sind, nur um ein Tête-àa-tete zu vermeiden. Und
doch wird einmal ein Sylvesterabend kommen, wo ich mich auch nach die¬
sem noch sehnen werde.

Das war ein böses Jahr für mich. Gott schenke allen meinen Lieben
Gesundheit, Glück, mir noch ein wenig Freude, die mir ja doch nur
von A., durch A. kommen könnte. Gott erhalte ihn und erhalten ihn mir.