Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 19. Dezember 1930


dacht ist wieder in mir, aber ich lasse nichts merken. Er hat seinen
Kleiderkasten rasch zugemacht, als ich näherkam, als wolle er verhü¬
ten, dass ich hineinsehe und war dabei merkwürdig blass und atemlos.
Voriges Jahr hing einmal ein hi[m]melblauer Schlafrock
in diesem Kasten und er sagte damals auf meine erstaunte Frage, dass
er Lili gehöre und ich glaubte ihm. Vielleicht hat er diese Erklä¬
rung vergessen und hatte Angst, dass ich ihn verdächtigen könnte,
wenn ich diesen Schlafrock sähe. -

Es ist vielleicht wirklich vertrottelt von mir misstrauisch gegen
diesen müden alten Mann zu sein. Aber sein ganzes Verhalten gegen
mich ist so sonderbar, so unnatürlich und veränderlich.

Mittag Cary-Magdi. Gemütlich.

Um 8 Uhr Abend kam A. auf eine halbe Stunde, ehe er zu Menczel ging
(Tagger-Bruckner dort). Er sagte, ich sehe so gut aus wie noch nie
und machte einen Augenblick lang ein sehr zärtliches Gesicht. Dann
legte er es mit einem Ruck wieder in strenge kühle Falten. Es ist
oft, als habe ihm jemand hypnotische Befehle für sein Verhalten gegeben.
Seit [d]rei Tagen etwas unter Null, leichtes Schneegestöber und
Windstille.