Tagebuch von Clara Katharina Pollaczek, 11.–15. Dezember 1930


Ich bin machtlos. Im Sommer hat D. erklärt, das Herz sei ganz gesund,
kein Grund, um die Reise in das Engadin zu verbieten. Und wie ist A.
von dort zurück gekommen.

Ich fühle erst jetzt, wie A. mein ganzes Leben ausmacht und wie ich ihn
trotz allem lieb habe. Ich vermag nicht weiter zu denken.

12.12.
Versuchte Dr. D. von einem Postamt zu erreichen. Er war schon fort.
Schliesslich ihn von meiner Wohnung aus angerufen. A.'s Herz ge¬
schwächt durch andauernd erhöhten Blutdruck. Absolut gegen jedes
mittel. D. behauptet, es sei besser, A. ahne nicht, dass er krank ist,
als dass man sein Leben vielleicht durch Mittel und Verordnungen
verlängere. Man kann doch Mittel in einer unauffälligen Form verab¬
reichen. Ich versteh das alles nicht. Er sagt: »Nur keine Aufregung
hervorrufen, keine Besorgnis zeigen«. Wie soll man das zu Wege bri¬
gen?

14.12. Er hat gestern Abend bei Julius abgesagt, wegen andauernder
Ueblichkeiten. Zeitweise etwas besser, dann wieder vollkommene Er¬
schöpfung. Er erzählt mir, dass er Vormittag zum Burgtheaterschnei¬
der vier Stockwerke hinaufgestiegen ist wegen seines Schlafrocks.
Warum verbietet man ihm nicht dergleichen Anstrengungen? Ist es
besser, wenn ihn sein Befinden ängstlich macht als vernünftige Ver¬
ordnungen?

Telefonierte heute wieder mit Dr. D., flehte ihn an doch in dieser
Richtung etwas zu tun.

Nichts als Sorgen und trübe Gedanken. – Mittag Harry, der auf seiner
Stelle wackelt. Man nimmt ihm seine Heirat und seine Scheidung übel.
Die Kornbaugesellschaft, bei der Otto als Advokat pauschaliert ist,
ist auch in Schwierigkeiten. Es war bisher die einzig sichere Ein¬
nahme, die er hatte.

15.12. Gestern Abend mit A. bei »Das Reich Gottes in Böhmen« (Wer¬